Essen. ARD-Talker Günther Jauch ist zurück aus der Sommerpause. Der heimliche Star seiner Runde über den Kampf gegen Steuerbetrüger war ein Mann, der eigentlich mehr zum Anti-Star taugt. NRW-Finanzminister Walter-Borjans sagte, das Steuer-Abkommen mit der Schweiz schütze vor allem die Interessen der Banken und Steuerhinterzieher: „Damit ist das Abkommen tot“, gab er bei Jauch zu Protokoll.

Norbert Walter-Borjans umstrahlt die Aura eines Buchhalters. Seinen wachen Augen hinter der großrahmigen Brille entgeht keine Büroklammer. Wenn er gegenrechnet, reicht die Summe bis auf die dritte Ziffer hinterm Komma. Mindestens. So könnte man meinen.

Stattdessen genießt der SPD-Mann an der Spitze des Finanzministeriums in NRW derzeit einen ganzen anderen Ruf. Kein bürokratischer Erbsenzähler ist er für seine politischen Gegner, sondern der „Robin Hood der Steuerzahler“, wie letztens aus der CDU geätzt wurde. Norbert Walter-Borjans, auch kurz Nowabo genannt, kauft in schöner Regelmäßigkeit und Sturheit CDs mit Daten deutscher Steuersünder in der Schweiz.

"Robin Hood" Walter-Borjans hält nach weiteren Steuer-CDs Ausschau

Dass die Daten der Schweizer Banken dort illegal gesammelt und weitergegeben wurden stört ihn ebenso wenig wie die mahnenden Worte von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Im TV-Sessel bei Günther Jauch in der ARD kann er sogar eine diebische Freude nicht verheimlichen: „Die Ankäufe erzeugen Unruhe. Und das stört die Schweiz.“ Er will auch weiter CDs kaufen. Für Nowabo ist es die einzige wirksame Waffe gegen Steuerbetrüger, die ihre Millionen in der Schweiz schwarz für sich arbeiten lassen.

Steuerhinterziehung, Vermögenssteuer, Einkommensmillionäre, Sozialneid – welch emotionale Themen für die erste Jauch-Runde nach der Sommerpause. Eigentlich hatte der Talkmaster wohl den quirligen FDP-Hans-Dampf Wolfgang Kubicki als Gegenpart zum steuerfahndenden Minister aus Düsseldorf vorgesehen. Doch der Kieler Liberale ist derzeit mehr damit beschäftigt, das Große und Ganze (sprich: seinen geplanten Aufstieg von der Landes- in die Bundespolitik) zu organisieren.

Kubicki wirkte bei Jauch lustlos und blass

Jedenfalls bleibt der sonst so schlagfertige Kubicki in dieser Runde ziemlich lustlos und blass. Immerhin lässt uns der erfolgreiche Jurist wissen, dass er Geld in der Steueroase Liechtenstein angelegt hatte (alles ganz legal, versteht sich), weil „die damit sorgfältiger umgehen, das kann ich Ihnen sagen“. Im übrigen verdiene er ja gar nicht so viel, denn: „Wer mehr verdient als ich, ist reich.“

So fällt die Rolle des Nowabo-Kontrahenten dem Unternehmer Thomas Selter zu, dessen Firma Strick- und Häkelnadeln produziert. Der schnauzbärtige Mittelständler kann sich gut in die Steuerflüchtlinge hinein versetzen. Da gebe es „das Gefühl: es reicht langsam“, mault Selter. Er könne solch ein Vorgehen „nachvollziehen“. Der Staat zocke so viel Geld ab, produziere damit finanzielle Desaster wie beim Hauptstadtflughafen Berlin oder am Nürburgring und hafte für nichts. Frontal geht Selter den NRW-Finanzminister an: „Sie nehmen so viele Steuern ein. Und was machen Sie? Schulden! Der Staat verbrät das Geld.“ Was machen da schon die paar hinterzogenen Milliönchen...

Eigentlich soll ja ein Steuer-Abkommen zwischen Berlin und Bern den Streit beenden. Es besagt, dass der Steuerbetrug mit Hilfe Schweizer Banken nachträglich legalisiert wird. Die Steuersünder müssen maximal zu 41 Prozent versteuern und gehen straffrei aus. Die Betreffenden bleiben anonym. Die SPD, so sieht es aus, will diesen Deal im Bundesrat aber noch stoppen. Es gebe zu viele Tricks und Kniffe, zu viele Schlupflöcher für findige clevere Steuervermeider.

Kauf von Steuersünder-CDs ist "Notwehr" des Staates

Das sieht auch Frank Wehrheim so. Der Mann hat fast 30 Jahre als Steuerfahnder Fiskalbetrüger gejagt, ehe er auf Steuerberater umsattelte, was ihm, wie er bekundet, deutlich mehr Einkommen bringe. Für Wehrheim ist der Kauf von Steuersünder-Daten schlicht „Notwehr“ des Staates. Es gebe einen „starken Trieb zur Steuervermeidung“ in Deutschland, hat er in seiner langen beuflichen Karriere beobachtet.

Auch er glaubt nicht an die Wirksamkeit des geplanten Abkommens mit der Schweiz. Denn: „Das Geld wird wandern, es wird weitergeschoben. Vielleicht nach Singapur.“ Linken-Chefin Katja Kipping will angesichts solcher Aussichten gleich den Schweizer Banken hierzulande die Banklizenz entziehen: „Jeder Student, der Bafög beantragt, muss alles offenlegen.“ Nur die Schweizer Konten der Reichen blieben tabu.

Walter-Borjans erklärt Steuer-Abkommen mit Schweiz für tot

Walter-Borjans bleibt bei Günther Jauch jedenfalls hart. Das Abkommen schütze vor allem die Interessen der Banken und Steuerhinterzieher. „Damit ist das Abkommen tot“, gibt er zu Protokoll. Das kann natürlich Tim Guldimann, Schweizer Botschafter in Deutschland, so nicht stehen lassen. „Das Abkommen steht“, betont er und das soll wohl heißen: Ein anderes, schärferes Abkommen, wie von NRW gefordert, wird es mit der Schweiz nicht geben.

Wie es aussieht, wird Norbert Walter-Borjans, der Robin Hood vom Rhein, noch reichlich Gelegenheit bekommen, CDs mit brisanten Steuerdaten zu kaufen.