Berlin. . Ein Jahr vor der Bundestagswahl nimmt in der CDU die Unzufriedenheit mit Angela Merkel. Die Konservativen in der Partei verschaffen ihrem Ärger Luft. Doch ihnen fehlt ein Wortführer, der es mit der Kanzlerin aufnehmen kann. Deswegen kämpfen sie auf verlorenem Posten.
Die Konservativen wollen in der CDU nicht nur geduldet werden. Sie wollen in der Partei „auch willkommen sein“. So drückt es Wolfgang Bosbach aus. Noch im August planen er und andere Abgeordnete aus dem „Berliner Kreis“, ein Manifest vorzulegen. Parallel dazu stellt die Publizistin Gertrud Höhler ein Buch über Kanzlerin Angela Merkel vor, das einer Abrechnung mit der „Patin“ gleichkommt. Der Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, holte am Dienstag zum Rundumschlag aus. Die geballte Kritik fällt auf, auch wenn die Motive unterschiedlich sind.
Die Beispiele zeigen, dass – ein Jahr vor der Bundestagswahl – Unzufriedenheit und Zweifel wachsen: „Es geht seit vielen Wahlen abwärts“, beobachtet Schlarmann. „Wir verlieren Zustimmung“, pflichtet Bosbach bei, „vor allem an die Gruppe der Nicht-Wähler.“ An den Sympathiewerten lässt sich der Trend schwerlich festmachen, und der Vorsprung vor der SPD ist in Umfragen mithin zweistellig.
Hauptschule und Atomkraft
Leiden die Konservativen also eher an der Modernisierung, die Merkel ihrer Partei verordnete? Die Beispiele haben alle parat, den Abschied der CDU von Hauptschule, Atomenergie und Wehrpflicht. Gerade die Aussetzung der Wehrpflicht zeigt indes auch, wie unsortiert die Kritiker sind. Merkel war anfangs skeptisch und folgte dem Ruf der Partei. Zum Beschluss gab es in der Union kaum Widerspruch. Wo waren da die Kritiker?
Wenn man Schlarmann folgt, gibt es in der CDU keinerlei grundsätzliche Debatte mehr, weil alles in der Merkel-CDU als alternativlos angeboten werde: „Das ist wie in der Mensa, die täglich nur ein Gericht anbietet. Wem das nicht schmeckt, der bleibt draußen.“ Merkel kennt die Kritik. Das Wort „alternativlos“ geht ihr schon länger nicht mehr über die Lippen. Programmarbeit ist wieder angesagt. Ende des Monats will die CDU-Führung einen Leitantrag für den Parteitag im Dezember vorlegen. Das ist dann die letzte Positionsbestimmung vor der Bundestagswahl.
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Auch das erklärt die Unruhe. Es sind Positionskämpfe auf verlorenem Posten, ahnt Schlarmann. Programmatisch werde die Partei wieder mit einem Wohlfühl-Programm „ruhiggestellt“. Die harten Themen – Energie, Europa – würden nicht wirklich behandelt. Sein Befund deckt sich generell mit Höhlers Kritik: „Über Angela Merkels visionäres Profil wissen wir nichts“, schreibt die konservative Publizistin. Dass die Prinzipien und Werte unklar bleiben, scheint auch Bosbach umzutreiben. Er will mit dem „Berliner Kreis“ eine Debatte über Europa anstoßen; darüber, ob das Europa der Vaterländer noch die Vision der CDU sei oder doch schon die „Vereinigten Staaten von Europa“.
Machtzentrale Kanzleramt
Die Unzufriedenen sprechen mit dünner Stimme. Ihnen fehlt ein Wortführer. Das „System M“ kennt keinen Gegenpol. „Die Macht in der CDU konzentriert sich auf das Kanzleramt. Alle Minister sind von der Kanzlerin unmittelbar abhängig“, sagt Schlarmann, „das haben wir bei Norbert Röttgen erlebt. Karriere macht nur der, der auf der Linie von Frau Merkel liegt.“
Mögliche Herausforderer wie Roland Koch gaben auf. Es sei „unmöglich“ für einen potenziellen Nachfolger unter dem „System Merkel“ nach oben zu kommen, beklagt Schlarmann. Auch politisch sei die CDU ein zentral geführter Verband: „Was oben politisch und programmatisch gesagt wird, kommt unten als Anweisung an. In einem derart durchorganisierten System kann nicht viel nachwachsen.“ Aus der Partei heraus werde sich nichts mehr tun. Davon ist Schlarmann inzwischen überzeugt. „Die CDU hat sich an das System Merkel gewöhnt.“