Berlin. Den Urlaub hat die Kanzlerin hinter sich, große Herausforderungen vor sich. Die SPD, die Koalition, die eigene Partei – manchmal hilft es ja, wenn man die Probleme erst mal sortiert. Die vier Baustellen im Überblick.
Mit den „großen Themen“, sagt ihr Sprecher, war sie auch im Urlaub befasst. Dennoch ließ sie es ruhiger angehen, in Bayreuth, in Südtirol und zuletzt in der Uckermark; „zu Hause“, wie Angela Merkel sagt. Seit gestern hat sie der Berliner Betrieb wieder. Für die Kanzlerin bricht das letzte Jahr dieser Amtszeit an. Gebannt wartet sie drei Entscheidungen ab, die allesamt nicht in ihrer Macht liegen: Das für den 12. September erwartete Gerichtsurteil zur Euro-Rettung, die US-Wahl am 6. November und den Urnengang in Niedersachsen am 20. Januar 2013.
Hier sind ihre vier größten Herausforderungen im Überblick.
1. Eine unruhige Partei
In den nächsten Tagen will der konservative „Berliner Kreis“ der CDU Position beziehen. Er ist nicht wirklich einflussreich, aber doch ein Unruheherd. Die Frage, wie konservativ die Partei unter Merkel noch sei, quält viele. Der CDU-Chefin ist sie wesensfremd. „Gute Politik setzt auf Lösungen, die der Wirklichkeit standhalten“, meint Merkel. So ging sie schon als Wissenschaftlerin vor. Aber in der Politik setzt sie sich so leichthin dem Vorwurf aus, bindungslos zu sein. Genau das wirft ihr Publizistin Gertrud Höhler in einem Buch („Die Patin“) vor, das in diesem Monat erscheint. Höhlers Schärfe hat die Kanzlerin überrascht.
Die Kanzlerin weiß aber, dass sie in der Union nun als Konsensstifterin gefragt ist. Sie will zusammenführen und den rechten Traditionsflügel besänftigen Vier Beispiele: Beim Betreuungsgeld soll die Koalition nicht wackeln, mit der Gleichstellung schwul-lesbischer Paare im Steuerrecht hat es Merkel nicht eilig.
Nicht unwichtig für die Seele der Partei ist auch das „Familientreffen“ zum 30. Jahrestag der Kanzlerwahl Helmut Kohls – er wird Ende September groß gefeiert. Am 8. Oktober startet Merkel dann in Düsseldorf die erste von sechs Regionalkonferenzen. Das ist ihre Art, die Temperatur der CDU zu messen.
2. Fremdelnde Partner
Ob beim Mindestlohn oder der Zuschuss-Rente, die FDP weicht vom Koalitionspartner ab, weniger aus Stärke, schon eher aus Schwäche. Merkels Vizekanzler Philipp Rösler ist ein unsicherer Kantonist. Sie könnte eine Niederlage von Schwarz-Gelb in Niedersachsen überstehen – er nicht. Die CSU ist beunruhigt, wegen der FDP, aber auch allgemein über die Koalition in Berlin. Die Skepsis ist so groß, dass Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer 2013 im Freistaat nicht am selben Tag wie im Bund wählen lassen will. Die Bayern sollen am 15. September 2013 für das Land und eine Woche später für den Bund.
Es wäre günstiger, am selben Tag wählen zu lassen. Und doch bedrängt Seehofer Innenminister Hans-Peter Friedrich, die zwei Wahlen zu entzerren. Von wegen Kanzlerbonus! Seehofer befürchtet offenbar eher einen Berlin-Malus.
3. Konsens war gestern
Nach der Niedersachsen-Wahl will die SPD entscheiden, wer aus ihren Reihen Merkel herausfordern soll. Von Monat zu Monat wird sich die SPD sperriger geben. Mit dem Vorstoß für eine gemeinschaftliche Haftung im Euro-Raum schlägt SPD-Chef Sigmar Gabriel schon heute einen Gegenkurs zu Merkel ein. Bisher war die SPD in der Eurokrise ein verlässlicher Partner.
4. Regierung als Crash-Test
Zwar geht die Regierung die nächsten Monate planvoll vor. Im Oktober steht ein Demografie-Gipfel an, im November und Dezember will die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten über die Energiewende beraten. Auch die Frage eines NPD-Verbots will sie nicht länger hinausschieben. Aber: Bei der größten Herausforderung – der Euro-Krise – ist Merkel nicht Herrin des Verfahrens. Gespannt sieht man in Berlin dem 12. September entgegen. Dann will das Verfassungsgericht über den Euro-Schutzmechanismus ESM entscheiden. Ein negatives Votum der Karlsruher Richter wäre ein Crash-Test für die Kanzlerin. Ihre Regierung wäre kaum noch handlungsfähig.
Das Urteil ist nicht die einzige Unsicherheit. Die EU muss darüber befinden, ob ein drittes Hilfspaket für Griechenland geschnürt wird. Momentan ist dafür keine eigene Mehrheit in Sicht. Für nächste Woche kündigte sich im Kanzleramt der griechische Premierminister Antonis Samaras an. Sie wird ihm keine großen Hoffnungen machen können. Denn Angela Merkel steht selbst ein heißer Herbst bevor.