Berlin. . Die Vorstandschefs von 35 Dax-Konzernen haben an den Bundestag appelliert, das UN-Abkommen gegen Korruption in Kraft zu setzen. „Das Ausbleiben der Ratifizierung schadet dem Ansehen der deutschen Wirtschaftsunternehmen in ihren Auslandsaktivitäten“, heißt es in einem Brief an die Fraktionschefs.

Es kommt nicht oft vor, dass sich die Spitzen der deutschen Wirtschaft so massiv an den Bundestag wenden. Bei der Korruptionsbekämpfung aber ist die Ungeduld der international tätigen Unternehmen so groß, dass 35 wichtige Konzernchefs den fünf Fraktionschefs einen Mahnbrief schrieben. Deutschland drohe ein gefährlicher Glaubwürdigkeitsverlust, wenn ein UN-Abkommen gegen Korruption nicht endlich ratifiziert werde, heißt es. Das Ausbleiben der Ratifizierung schade dem Ansehen der deutschen Firmen in ihren Auslandsaktivitäten.

Bislang keine Mehrheit im Bundestag

Mit ihrem Vorstoß befeuern die Unternehmenschefs – darunter Johannes Teyssen (Eon), Heinrich Hiesinger (ThyssenKrupp) oder Peter Löscher (Siemens) – eine Debatte, die der Bundestag seit längerem ergebnislos führt. Deutschland kann das schon 2003 unterzeichnete Anti-Korruptionsabkommen nicht ratifizieren, weil dazu der Straftatbestand der Ab­­ge­ordnetenbestechung verschärft werden müsste. Doch dafür gibt es bislang keine Mehrheit.

Eindeutige Bestechung von Parlamentariern ist zwar schon heute strafbar – das betrifft aber nur den direkten, zukunftsgerichteten Kauf und Verkauf von Stimmen bei Wahlen und Abstimmungen. Aber es gibt viele Schlupflöcher: Ein Unternehmer am Ort kann dem Parlamentarier ein Auto versprechen in der Hoffnung, das er sich für die neue Autobahn einsetzt – gibt es keine direkte Absprache, ist es nicht strafbar. Auch die fraktionsinterne Willensbildung, in der im Regierungslager Weichen gestellt werden, wird vom Strafrecht ausgeblendet. „Wesentliche Tätigkeiten des Abgeordneten werden nicht erfasst“, klagt der Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag. Andere Bestimmungen des Strafgesetzbesuches zur Vorteilsnahme und Bestechlichkeit greifen nicht, weil die Abgeordneten keine Amtsträger sind.

Das Problem ist bekannt, doch die Lösung wird verschleppt. Die vorgeschlagenen Änderungen behinderten die Ausübung des freien Mandats, heißt es bei Union und FDP. Es gibt Befürchtungen, dass es dann immer öfter wegen eines am Ende unbegründeten Anfangsverdachts Ermittlungen gegen Abgeordnete geben könne, mit der entsprechenden Rufschädigung.

Deutschland im Einklang mit Syrien und Saudi-Arabien

Die Debatte hat das bizarre Ergebnis, dass zwar 160 Staaten die UN-Konvention unterzeichnet haben, Deutschland aber nicht – zusammen mit Staaten wie Syrien und Saudi-Arabien. Der Umstand wird deutschen Firmen zur Last, die im Ausland für korruptionsfreien und fairen Wettbewerb einstehen müssen. Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats hatte Deutschland schon im April aufgefordert, sofort seine Regeln im Kampf gegen Bestechung an internationale Standards anzupassen.

Seit 2007 bemühen sich SPD, Grüne und Linke, das Hindernis auszuräumen. Den jüngsten Vorstoß machte die SPD Anfang 2012 mit einem Gesetzentwurf zur schärferen Bestrafung von Abgeordnetenbestechung. „Es ist an der Zeit, den Verdacht auszuräumen, dass wir uns nur Vorteile verschaffen“, so SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht. Wer als Abgeordneter etwa vom Weinbauernverband aufgefordert werde, eine Initiative zur Abschaffung der Sektsteuer zu ergreifen, dies erfolgreich durchsetze und dann eine Reise vom Verband geschenkt bekomme – der müsse wegen Bestechlichkeit bestraft werden können. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen kontert: „Wir haben die Pflicht, uns um eine vernünftige Lösung zu bemühen, in dieser Wahlperiode wird es aber sehr schwierig – die Vorschläge der Opposition haben gravierende Mängel.“