Brüssel. . Die Europäer verstärken den Druck auf den EU-Sorgenstaat Rumänien, sein umstrittener Regierungschef Victor Ponta erhält damit die Quittung für seine bisherige Politik. Der Rüffel aus Brüssel fällt kräftig aus. Korruption, Gängelung der Justiz und Verordnungen am Parlament vorbei sorgen die EU-Kommission.
Die EU-Kommission nimmt die Entwicklung in dem Land, das seit 2007 EU-Mitglied ist, stärker unter die Lupe. Sie fürchtet um die Rechtsstaatlichkeit und das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung in Rumänien.
„Parteipolitischer Streit ist keine Rechtfertigung, um wichtige demokratische Grundsätze zu missachten“, wetterte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch. „Politiker dürfen nicht versuchen, Richter vor Urteilen einzuschüchtern oder Richter anzugreifen, wenn diese Urteile treffen, die Politikern missfallen.“
Was besorgt die Europäer?
Barroso stellte in Brüssel den jüngsten Jahresbericht zur Lage des Rechtsstaats und der Justiz in dem osteuropäischen Land vor. Dass die Analyse Rumänien nicht zu Ruhm gereichen wird, stand schon vorher fest. Der sozialdemokratische Regierungschef Ponta schaffte es seit seinem Amtsantritt im Mai, europaweit teils heftige Kritik an seinem Demokratie-Verständnis auszulösen.
Mit einer Reihe von Rechtsverstößen setzte Ponta den konservativen Präsidenten Traian Basescu zumindest vorläufig ab. Zudem erließ die Regierung rund 40 Notverordnungen. So umging Ponta den normalen, längeren Gesetzesweg über das Parlament. Doch damit nicht genug: Die Regierung beschnitt Rechte und Befugnisse des Verfassungsgerichts. Die Richter dürfen unter anderem keine Entscheidungen des Parlaments mehr prüfen.
„Die Ereignisse in Rumänien haben unser Vertrauen erschüttert“, sagte EU-Kommissionschef Barroso. Er übte in den vorigen Tagen bei Treffen und Telefonaten Druck auf Ponta aus, Entscheidungen zurückzunehmen und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit sowie der Demokratie zu gewährleisten. Ponta sicherte den Europäern diese Woche schriftlich zu, die Forderungen aus Brüssel zu beherzigen.
Wäre dann alles wieder gut?
Nein. Nicht nur Ponta ist daran schuld, dass sich der 28-seitige EU-Bericht zu Rumänien wie eine lange Liste von Mängeln und Versäumnissen liest. Als Rumänien vor fünf Jahren in den Kreis der EU-Länder aufgenommen wurde, war klar, dass Korruption weit verbreitet, die Verwaltung verbesserungswürdig und das Justizsystem schwach waren. Daher beschlossen die Europäer 2007, die Entwicklung in Rumänien jährlich zu bewerten. Das sollte das Land zu Fortschritten anhalten.
Ein Satz aus dem neuen Bericht zeigt beispielhaft, wie schlecht es um den Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz in Rumänien immer noch bestellt ist. „Es sollten klare Regeln festgelegt werden, zum Beispiel die sofortige Absetzung von Richtern, die schwerwiegender Straftaten wie Korruption auf hoher Ebene beschuldigt werden“, fordern die EU-Experten.
Auch das Kapitel über Korruption in dem Bericht liest sich wie ein Horrorbericht. Wegen Bestechung angeklagt wurden seit 2007 ein Ex-Ministerpräsident, ein einstiger Vize-Ministerpräsident, ehemalige Minister sowie Parlamentarier, Bürgermeister und andere Personen des öffentlichen Lebens. Rumänien müsse noch viel tun, um die Korruption wirksam einzudämmen, heißt es. Der osteuropäische Staat gilt als einer der korruptesten in Europa.
Was planen die Europäer?
Die EU-Kommission prüft in den nächsten Monaten, ob die rumänische Regierung wirklich auf den geforderten Reformkurs einschwenkt. In einem Sonderbericht bewerten die Europäer zum Jahresende etwaige Fortschritte oder Versäumnisse. Dann entscheiden sie, ob und wie sie den Druck auf Rumänien verstärken. Verletzt Rumänien EU-Gesetze, kann die EU-Kommission rechtlich gegen den Staat vorgehen.
Im schlimmsten Fall können die Europäer einem uneinsichtigen Land, das EU-Recht missachtet, sein Stimmrecht entziehen. Dieses Land kann dann nicht mehr mitreden, wenn die Staaten Entscheidungen zum Beispiel über Gesetze treffen.