Essen. . 57 Prozent der Unternehmen in NRW sind im vergangenen Jahr Opfer von Wirtschaftskriminalität geworden. Das ist das Ergebnis einer Studie der Prüfungsgesellschaft PwC. Die Fälle reichten von Betrug über Korruption bis zu Industriespionage. Es entstanden Schäden in Millionenhöhe.

Geldwäsche, Betrug, Korruption, Industriespionage, wettbewerbswidrige Absprachen oder Diebstahl vertraulicher Firmendaten – die Liste der Delikte ist lang. Und der Schaden, der Unternehmen durch Wirtschaftskriminalität entsteht, ist beträchtlich. Eine Studie der Prüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) kommt nun zu dem Ergebnis, dass Wirtschaftskriminalität ein weit verbreitetes Phänomen in deutschen Unternehmen ist.

„57 Prozent der Unternehmen in Nordrhein-Westfalen sind Opfer von Wirtschaftskriminalität geworden“, berichtet PwC-Experte Steffen Salvenmoser im Gespräch mit dieser Zeitung. „Vermutlich liegt die Zahl der betroffenen Betriebe sogar noch weit höher. Nimmt man die konkreten Verdachtsfälle hinzu, erhöht sich der Anteil der betroffenen Unternehmen auf drei Viertel.“ Salvenmoser, ein ehemaliger Staatsanwalt, der sich nun in Diensten von PwC befindet, kommt zu dem Urteil: „Das Ausmaß an Wirtschaftskriminalität in den Unternehmen ist nach wie vor besorgniserregend.“

Es hat Folgen, wenn der Ruf leidet

Ihre Studie für das vergangene Jahr hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gemeinsam mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erstellt. Bundesweit wurden Mitarbeiter von 830 Großunternehmen telefonisch befragt, in NRW waren es rund 180 Firmen. So war es möglich, detaillierte Ergebnisse zur Wirtschaftskriminalität in den Betrieben an Rhein und Ruhr zu ermitteln.

Der finanzielle Schaden durch Wirtschaftsstraftaten habe in NRW durchschnittlich bei 3,83 Millionen Euro je Unternehmen gelegen, heißt es in der Studie. Hinzu kämen Kosten, die durch das Krisenmanagement entstehen. Im Schnitt waren dies mehr als 310.000 Euro. „Zu den direkten finanziellen Schäden kommt oft ein Reputationsverlust“, gibt Salvenmoser zu bedenken. „Die Folgen reichen von Auftragsverlusten bis zu Problemen bei der Suche nach Fachkräften.“

Im Vergleich zum gesamtdeutschen Durchschnitt (52 Prozent) wurden Unternehmen in NRW häufiger Opfer von Wirtschaftskriminalität. 57 Prozent der Betriebe an Rhein und Ruhr gaben an, durch Vermögensdelikte, Korruption, Geldwäsche oder verschiedene Wettbewerbsdelikte geschädigt worden zu sein. Allerdings fielen die finanziellen Schäden bei den betroffenen Unternehmen in NRW (3,83 Millionen Euro je Betrieb) niedriger aus als im bundesweiten Durchschnitt (8,39 Millionen Euro).

Schadenssummen von durchschnittlich sieben Millionen Euro

Korruptionsfälle verursachten in NRW die mit Abstand höchsten Schadenssummen von durchschnittlich sieben Millionen Euro je Betrieb, der betroffen war. „Das Thema Bestechung spielt im Alltag der Unternehmen immer wieder eine Rolle“, berichtet Salvenmoser. „Im vergangenen Jahr hatten Mitarbeiter in mehr als jedem zehnten Unternehmen das Gefühl, dass von ihnen Schmiergeld erwartet wurde. Fast ein Viertel der Betriebe hat den Eindruck, aufgrund von Bestechung seitens eines Wettbewerbers eine Geschäftschance verloren zu haben.“ Es gebe immer noch Unternehmen, bei denen Korruption von der Geschäftsleitung gedeckt werde, also gewissermaßen „Teil der Firmenpolitik“ sei.

„Kein Unternehmen sollte auf die Idee kommen, das Thema Wirtschaftskriminalität gehe es nichts an. Eine solche Einschätzung wäre geradezu fahrlässig“, sagt Lutz Granderath, der Niederlassungsleiter von PwC in Essen. „Gerade Mittelständler, die den Schritt ins außereuropäische Ausland wagen, werden damit konfrontiert, dass Bestechung und Korruption vielerorts gängig sind. Umso wichtiger ist es, klare Regeln aufzustellen und die Mitarbeiter entsprechend vorzubereiten.“ Sei erst einmal ein Schaden entstanden, könne die Situation vor allem für Mittelständler existenzbedrohlich werden.

Firmen reagieren und investieren

Die Unternehmen investieren zunehmend in Abwehr und Vorbeugung von Wirtschaftskriminalität. „Mehr als jedes zweite Unternehmen in NRW hat der Korruption den Kampf angesagt“, sagt Granderath. Zum Vergleich: Noch vor vier Jahren hatte gerade einmal jedes fünfte Unternehmen ein Anti-Korruptionsprogramm.