Damaskus/Frankfurt/Main/Beirut. . Die syrische Hauptstadt Damaskus ist am Sonntag offenbar von den heftigsten Kämpfen seit dem Beginn der Rebellion im März 2011 erschüttert worden. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten feuerte die syrische Armee Mörsergranaten auf Stadtteile, in denen sich Kämpfer der aus Deserteuren zusammengesetzten Freien Syrischen Armee verschanzt hätten. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) stuft den Konflikt mittlerweile offiziell als Bürgerkrieg ein. Iran bietet sich als Vermittler an.
Während die UN-Beobachter den Angriff auf die syrische Ortschaft Tremse untersuchen, haben sich die Gefechte zwischen Regierungstruppen und Aufständischen in Damaskus offenbar zugespitzt. In mehreren Vierteln der syrischen Hauptstadt werde gekämpft, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag mit.
Zugleich gehen die internationalen Bemühungen zur Beilegung des Konflikts weiter, den das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mittlerweile offiziell als Bürgerkrieg einstuft. Der Iran bot sich als Vermittler zwischen dem Regime von Präsident Baschar Assad und Oppositionellen an.
Mindestens 115 Tote bei den Kämpfen
Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden am Sonntag in Syrien mindestens 105 Menschen getötet - 48 Zivilisten, 16 Rebellen und 41 Soldaten. Beobachtungsstellen zufolge kamen am Sonntag landesweit mehr als 115 Menschen ums Leben. Sechs Menschen sollen in Damaskus getötet worden sein, darunter ein Kind. Das Machtzentrum von Assad war bislang weitgehend von Kämpfen verschont geblieben. Das in London ansässige Aktivistennetzwerk stellte am Montagmorgen ein Video ins Netz, das die brutale Folter eines desertierten Soldaten in Al Schadadi in der Provinz Hasake zeigen soll.
Die örtlichen Koordinierungs-Komitees der Aufständischen berichteten am Sonntag aus Damaskus von dichtem schwarzen Rauch über dem Stadtteil Tadamon und von lauten Explosionen in Nar Aischa. Der oppositionelle Syrische Nationalrat warf der syrischen Armee vor, Gegenden der Hauptstadt in ein „Schlachtfeld“ verwandelt zu haben. „Die Revolution breitet sich aus und zieht die Schlinge um das Regime enger“, sagte ein Sprecher in einer über arabische Satelliten-Sender verbreiteten Stellungnahme.
Iran will zwischen Assad und der Opposition vermitteln
Der Iran bietet sich jetzt als Vermittler in dem seit März vergangenen Jahres andauernden Konflikt an. Teheran sei bereit, Opposition und Regierungsvertreter zu Gesprächen einzuladen, meldete die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur ISNA am Sonntag unter Berufung auf Außenminister Ali Akbar Salehi.
Die Aufständischen dürften der Einladung aus Teheran kaum folgen. Sie lehnen Verhandlungen mit dem Assad-Regime ab und kritisieren die Regierung in Teheran für ihre Loyalität zu Damaskus. Der internationale Sondergesandte für Syrien, Kofi Annan, wird am (morgigen) Dienstag zu Gesprächen mit Präsident Wladimir Putin über eine Beilegung des Syrien-Konflikts in Moskau erwartet. Das teilte der Kreml am Sonntag mit.
UN untersuchen Gewalt in Tremse
Die Vereinten Nationen widersprachen sowohl der Darstellung des Assad-Regimes als auch der Rebellen über die Gewalt in Tremse. Den UN-Beobachtern zufolge galt der Angriff am Donnerstag auf die Ortschaft in der Provinz Hama vor allem desertierten Soldaten und Regimegegnern. „Blutlachen und Gehirnsubstanzen wurden in einer Reihe von Häusern entdeckt“, erklärten die Vereinten Nationen.
Nach einem zweiten Besuch am Sonntag hieß es vonseiten des UN-Teams, syrische Regierungstruppen seien nach dem Bombardement von Tremse mit schweren Waffen und Kampfhubschraubern von Tür zu Tür gegangen und hätten die Identität der Bewohner überprüft. Einige seien getötet, andere mitgenommen worden.
17.000 Tote seit Beginn der Proteste
Die Opposition hatte den Angriff auf Tremse als folgenschwerstes Massaker seit Beginn der Proteste gegen Assad im März vergangenen Jahres bezeichnet, bei dem zwischen 100 und 200 Menschen ums Leben gekommen seien - vorwiegend Zivilisten.
Der syrische Außenministeriumssprecher Dschihad Makdissi erklärte indes am Sonntag in Damaskus, der Angriff habe nicht Zivilisten gegolten. Vielmehr habe es sich um eine Militäroperation gegen bewaffnete Kämpfer gehandelt, die Kontrolle über die Ortschaft ergriffen hätten. „Was geschehen ist, war kein Angriff auf Zivilisten“, sagte Makdissi. 37 Bewaffnete und zwei Zivilisten seien getötet worden. „Was über den Gebrauch von schweren Waffen gesagt wurde, entbehrt jeder Grundlage“, fügte er hinzu.
Verhandlungen mit China und Russland
Das IKRK erklärte indes am Sonntag, den Syrien-Konflikt fortan als Bürgerkrieg einzustufen. Sprecher Hicham Hassan sagte, Kampfhandlungen hätten sich von den Konfliktherden Idlib, Homs und Hama auf andere Landesteile ausgeweitet. Humanitäres Völkerrecht gelte nun für alle Gebiete, wo Kampfhandlungen stattfänden.
Im Bemühen um ein geschlossenes Auftreten der internationalen Gemeinschaft im Syrien-Konflikt reist UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Montag nach China, während der Sonderbeauftragte Kofi Annan sich zu Gesprächen mit der russischen Führung nach Moskau begibt. Am Veto Russlands und Chinas waren bisher zwei UN-Resolutionen zu Syrien gescheitert, mit denen der Westen den Druck auf Syriens Staatschef Baschar al-Assad erhöhen wollte.
Schätzungen von Aktivisten zufolge sind seit Beginn der Proteste im März vergangenen Jahres mehr als 17.000 Menschen ums Leben gekommen. (afp/dapd)