Damaskus. . Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat Syriens Präsident Baschar al-Assad die Schuld an dem Massaker im Dorf Tremse gegeben. Beobachter der Vereinten Nationen fanden Blutspuren, zerstörte Häuser und eine niedergebrannte Schule vor. Die syrische Führung wies die Darstellungen entschieden zurück.

Ein Gefecht mit Rebellen, wie es sich in Syrien seit Beginn des Bürgerkriegs dutzendfach ereignete – oder ein beispielloses Massaker an Zivilisten? Über das, was vorigen Donnerstag in dem syrischen Dorf Tremse geschah, gehen die Schilderungen auseinander. Am Wochenende durften nun erstmals UN-Vertreter Tremse besuchen. Dessen ungeachtet gehen die Angriffe der Armee weiter.

Den UN-Beobachtern bot sich ein Bild von Tod und Zerstörung – zerschossene Häuser, eine ausgebrannte Schule, Blutlachen, Patronenhülsen. „Eine breites Spektrum an schweren Waffen wurde eingesetzt, darunter Artillerie, Mörser und Handfeuerwaffen“, erklärte die Sprecherin der UN-Blauhelme, Susan Ghosheh.

Bis zu 150 Tote

„Wir können bestätigen, dass es am 12. Juli eine militärische Operation gab. Der Angriff galt offenbar spezifischen Gruppen und bestimmten Gebäuden – vor allem von Deserteuren und Aktivisten”, erklärte Ghosheh und widersprach damit den Angaben der Opposition, es habe sich um ein Massaker nur an Zivilisten gehandelt.

Menschenrechtsorganisationen beziffern die Zahl der Toten auf bis zu 150 Männer. Nach Aussagen von Überlebenden wurden sie nach Ende der Kämpfe von Milizionären des Regimes regelrecht abgeschlachtet.

„Krieg gegen das eigene Volk“

Aus Sicht von Bundesaußenminister Westerwelle steckt die Regierung von Präsiden Baschar Assad allein hinter dem Massaker. „Das Regime setzt schwere Waffen wie Hubschrauber, Geschütze und Panzer für grausame Gewalt, für einen regelrechten Krieg gegen das eigene Volk ein. Das ist unsere klare Erkenntnis aus den Berichten über die Geschehnisse von Tremse“, sagte er. Nun sei der Moment gekommen, an dem der UN-Sicherheitsrat dem Assad-Regime seine Grenzen aufzeigen müsse.

Die syrische Regierung behauptet, in Tremse habe es kein Massaker, sondern lediglich ein Gefecht zwischen Militär und „Terroristen“ gegeben, wie man in Damaskus die bewaffneten Rebellen nennt.

Angriffe der Armee gehen weiter

Gestern gingen die Angriffe der Armee mit Panzern, Artillerie und Kampfhubschraubern mit unverminderter Härte weiter. Die Städte Hama, Homs, Rastan und Der Ezzor lagen unter Feuer. Nahe der Stadt Deraa im Süden, wo vor 18 Monaten der Aufstand begann, griffen Einheiten Ortschaften an und setzten systematisch Häuser in Brand.

Die Gewalt in Syrien ist bestialisch und inzwischen überall. Und der Konflikt hat eine Eigendynamik erreicht, die das Land für Jahrzehnte in den Abgrund reißen könnte. Längst sind zu den Fronten zwischen Regime und Opposition weitere Kampflinien hinzugekommen – zwischen Nachbardörfern, zwischen Kurden und Arabern, sowie Sunniten, Alawiten, Drusen, Schiiten und Christen.

Keine Kompromisse

Alle internationalen Bemühungen, das Regime zum Aufgeben zu zwingen, scheitern bisher an Russland und China. Die Regierung in Damaskus glaubt, ihre Macht sei noch zu retten. Die zerstrittene Opposition hofft, ihre Kämpfer werden mit Waffen der Golf-Staaten Assads Palast erobern können. Zwischen diesen Fronten verdunsten alle Kompromisse. Selbst für einen halbherzigen Machttransfer ist die Gelegenheit verstrichen.

In Syrien sprechen nur noch die Waffen. Die Liste der Opfer wird täglich länger. Bislang starben in dem Krieg etwa 17 000 Menschen.