München. . Mit Drohgebärden Richtung Berlin will der CSU-Chef seine Macht in Bayern sichern. Doch die Masche verfängt nicht mehr. Er muss um den Wahlsieg bangen. Vor allem in den Städten und bei den weiblichen Wählern hat die CSU keine sicheren Mehrheiten mehr. Ob das Betreuungsgeld ihn noch retten kann?
„Wir wollen kein Meldegesetz ohne Zustimmung der Bürger“, sagt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Er trägt einen schwarzen Anzug, der Auftritt wirkt staatsmännisch. Die CSU-Vorstandssitzung ist soeben zu Ende gegangen und alle warten auf Horst Seehofer. Doch der CSU-Vorsitzende hat seinen Parteimanager vorgeschickt, der muss nun verkünden, dass Verschärfungen im Meldegesetz Schnee von gestern sind. Seehofer bleibt verschwunden.
Allzu offenkundig ist es zu diesem Zeitpunkt, dass schon wieder was nicht geklappt hat. Die Vorstellung, dass die Gemeinden mit Daten Geld verdienen, die abzugeben jedermann verpflichtet ist, wäre im Wahljahr 2013 sicherlich kein Hit für die CSU geworden. Das hat Seehofer in letzter Minute erkannt. Also Notbremse. „Nah am Bürger“, so lautete ein Wahlslogan der CSU einmal, Seehofer hat sich wohl gerade noch rechtzeitig daran erinnert.
Ohne klare Linie
Gut ein Jahr vor der Landtagswahl in Bayern steht es nicht besonders gut um den bayerischen Platzhirschen CSU. Die Partei kommt in den Umfragen nicht voran. Parteichef und Ministerpräsident Seehofer wirkt unentschlossen, schwankt zwischen populistischer Brachialkritik an der Bundesregierung und Appellen zu Ruhe und Geschlossenheit in der schwarz-gelben Koalition. Eine klare Linie ist nicht zu erkennen.
Dass momentan vieles schief läuft und die CSU nicht mehr sicher sein kann, ob die Lufthoheit über bayerischen Stammtischen der einzig richtige Gradmesser ist, lässt sich auch in der Euro-Debatte beobachten. Denn da haben selbst Seehofers wiederholte Drohungen Richtung Berlin, die „rote Linie“ nicht zu überschreiten, nicht geholfen. Seehofers inflationäre Drohgebärden verpuffen in Berlin, seine Partei bekommt nach vielen Jahren, in denen sie Wahlkämpfe hauptsächlich gegen die Bürokratie in Brüssel bestritt, die Quittung.
„Hast du einen Opa...“
„Hast du einen Opa, schick‘ ihn nach Europa“, lautete ein Motto, und Seehofer-Vorgänger Edmund Stoiber ätzte über den „Krümmungswinkel für Gurken“, den die EU-Bürokraten bestimmen wollten, und über den europäischen Hauptnettozahler Deutschland.
Dass in der CSU die Vorbehalte gegen Europa lebendig sind, war noch im letzten Jahr bei einem CSU-Parteitag zu erkennen. Da war der stets streitsüchtige Peter Gauweiler drauf und dran, die Delegierten auf Euro-Gegenkurs zu bringen, was nur durch Geschäftsordnungstricks verhindert wurde.
Politisches Ping-Pong
So spielt Seehofer politisches Ping-Pong. Mal droht er, die Koalition in Berlin platzen zu lassen, um einen Tag später zu behaupten, das habe er nie gesagt. So auch an diesem Montag. Plötzlich verkündet der CSU-Chef „beste Übereinstimmung“ mit der Kanzlerin beim Kurs Deutschlands in der Euro-Schuldenkrise.
Nur wenige Tage zuvor hatte das noch anders geklungen. In der Koalition sei „Feuer unterm Dach“ hatte der Bayer nach dem Europa-Gipfel geraunt, bei dem Merkel Zugeständnisse an die Süd-Länder hatte machen müssen. Seehofer fürchtet, die leidige Euro-Debatte könnte ihm bei seinem Projekt Wiederwahl im Herbst 2013 böse schaden.
Szenario vom Koalitionsbruch
Dieses riskante, über Jahre hinweg eingeübte Spiel, die CSU mit Andeutungen und Ironie über die Runden zu bringen, verfängt offenbar nicht mehr. Bei einer Umfrage von Forsa lag die CSU zuletzt in Bayern bei 43 Prozent. Eine mögliche Koalition von SPD, Grünen und Freien Wählern kam demnach auf gleiche Sympathiewerte.
Vor allem in den Städten und bei den weiblichen Wählern hat die CSU keine sicheren Mehrheiten mehr. Und ob das Betreuungsgeld für die CSU den gewünschten Positiv-Effekt hat, bezweifeln sogar manche in der Partei.
Kalkulierter Koalitionsbruch?
Wie weiter, CSU? Es kursieren bereits Szenarien, wonach die Partei die Euro-Debatte zu einem kalkulierten Koalitionsbruch in Berlin nutzen könnte. So spekuliert der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe: „Seehofer würde die CSU-Minister aus Berlin abziehen, und es gäbe Neuwahlen mit einem beherrschenden Thema: die Zukunft Europas.“