Erfurt. Nach der Pannenserie beim Verfassungsschutz muss auch der Chef des Inlandsgeheimdienstes in Thüringen gehen: Thomas Sippel habe “nicht mehr das Vertrauen des Parlaments“, sagte Innenminister Jörg Geibert (CDU). Untersuchungsausschüsse sollen klären, warum der NSU-Terror jahrelang unbehelligt blieb.
Thüringens Verfassungsschutzpräsident Thomas Sippel räumt seinen Posten. "Der Verfassungsschutzpräsident hat nicht mehr das Vertrauen des Parlamentes", sagte Innenminister Jörg Geibert (CDU) am Dienstag in Erfurt. Er habe die Landesregierung gebeten, den Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Darauf habe er sich mit Sippel in einem Gespräch geeinigt. Vertreter mehrerer Parteien begrüßten den Schritt.
Kurz zuvor hatte Thüringens Regierungssprecher Peter Zimmermann zur Zukunft Sippels noch gesagt, dass der Minister seine Entscheidungen nicht von aktuellen Stimmungen abhängig mache. Erst solle alles aufgeklärt und dann ohne Ansehen von Personen und Amt entschieden werden.
Innenministerium sieht keinen konkreten Fehler
Es habe keinen konkreten Fehler gegeben, der Sippel vorgeworfen werden könnte, sagte dazu ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums. Jedoch hatte der 55-Jährige das Vertrauen des Parlaments verloren. Dieses sei jedoch wesentliche Grundlage für die Arbeit eines Nachrichtendienstes. Daher sei die Entscheidung, in den einstweiligen Ruhestand zu gehen, für Amt und Person besser.
SPD-Fraktionschef Uwe Höhn bezeichnete die Entscheidung als "einen längst überfälligen Schritt". Sie verdiene jedoch Respekt und ebne den Weg für einen Neuanfang beim Verfassungsschutz. Sippel habe das Vertrauen in den Aufklärungswillen seiner Behörde verspielt, indem er die Kontrollgremien des Landtages wiederholt falsch oder nur unzureichend informierte. Er wiederholte seine Forderung, den Behördenchef künftig vom Landtag wählen zu lassen.
Lieberknecht will sich nicht äußern
Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Dirk Adams, sagte, der Abgang dürfe kein Notopfer sein. Thüringens FDP-Parteichef Nuth Kurth zollte dem Verfassungsschutzpräsidenten im Ruhestand Respekt. Er habe im Jahr 2000 ein chaotisches Haus übernommen und zu einer arbeitsfähigen Behörde gemacht. Wenn der Thüringer Innenminister jetzt zu dieser Maßnahme greife, "müssen schwere Vorwürfe vorliegen", sagte er weiter. Sippel bleibe weiter für den Untersuchungsausschuss relevant.
Die Innenexpertin der Fraktion Die Linke, Martina Renner, sagte, die Entscheidung sei nur eine halbherzige Reaktion auf die öffentliche Empörung. "Auch ein neuer Präsident wird nichts am grundsätzlichen Problem der Geheimdienste ändern." Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wollte sich zu dem Vorgang zunächst nicht äußern. Dazu gebe es keinen Grund, das sei Sache des Ressortleiters, sagte ein Sprecher der Staatskanzlei.
Verfassungsschutz hatte offenbar mehr Akten
Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hat offenbar mehr Akten über die "Operation Rennsteig" als bislang zugegeben. Es handle sich um zwei Ordner, die jetzt dem NSU-Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt würden, zitierte der Sender MDR Thüringen aus der nichtöffentlichen Sitzung des Gremiums am Dienstag in Erfurt. In den Unterlagen würden sich demnach auch Dokumente des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) befinden. Diese seien aber derart geschwärzt, dass sie nicht zu entziffern sind. Die Landesregierung wolle möglichst viele Schwärzungen wieder entfernen lassen, hieß es aus dem Ausschuss weiter.
Am Sonntag hatte bereits der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, seinen Rückzug angekündigt. Untersuchungsausschüsse im Bund und in den Ländern versuchen derzeit zu klären, warum der rechtsterroristische Nationalsozialistische Untergrund (NSU) jahrelang unbehelligt blieb.
Thüringens Innenminister Geibert kündigte dazu am Dienstag an, den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses sowie der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Landtages Einsicht in die V-Leute-Datei des Landesamtes für Verfassungsschutz zu geben. Zudem habe er das Bundesverteidigungsministerium um Aufhebung der Sperrvermerke gebeten. Dies sei nötig, um die Akten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) dem Untersuchungsausschuss vorlegen zu können. (dapd)