Berlin. . Das Bundesamt für Verfassungschutz steckt nach dem Skandal um die Aktenvernichtung in der Krise: Hatte der Präsident Heinz Fromm sein Haus nicht im Griff? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm gibt auf. Er zieht die Konsequenzen aus einem Skandal. Sieben Akten über Neonazis waren im November 2011 vernichtet und der Chefetage des Bundesamts diese Reißwolf-Aktion verheimlicht worden. Vor einem Untersuchungsausschuss muss Fromm am Donnerstag Rede und Antwort stehen. Zwölf Jahre lang leitete er das Amt. Den Rechtsextremismus hatte er nicht unterschätzt. Aber hatte der Präsident sein Amt etwa nicht im Griff?
Kam Fromm seiner Entlassung zuvor?
Heinz Fromm wurde weder entlassen noch bot er seinen Rücktritt an. Wie jeder Beamte kann er ab 63 ohne Angabe von Gründen, auch ohne Zustimmung des Vorgesetzten, in den Ruhestand gehen. Genau so förmlich und knapp – lediglich wenige Zeilen – liest sich der Brief, der am Sonntag im Innenministerium einging. In wenigen Tagen wird Fromm 64, Ende dieses Monats hört er auf. Noch am Mittwoch, als der Skandal intern bekannt wurde, bat Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) ihn, weiter zu machen. Einen Tag später gab Fromm einen Bericht ab. Er schien eisern entschlossen, den Skandal aufzuklären.
Woher der Sinneswandel?
Entweder hat er die Nerven verloren oder gespürt, dass die Vertuschung kein Versehen, sondern größer als vermutet war. Laut „Spiegel“ wurden zudem Computerdateien manipuliert. Fromm selbst meinte, die Qualität der gelöschten Informationen sei eher von „nachrangiger Bedeutung“. Indes gibt es keine Kopien von den Akten.
Nur der Referatsleiter, der die Schredder-Aktion anwies, kann Auskunft darüber geben, warum er die Akten vernichten ließ. Bei einer ersten Vernehmung bedauerte er die Fehler in allgemeiner Form, behielt die Details für sich und beauftragte einen Anwalt. Ein Disziplinarverfahren läuft, die internen Ermittler treten auf den Plan. Es sieht nach einem zähen Verfahren aus. Dabei trat schon jetzt „ein erheblicher Vertrauensverlust und eine gravierende Beschädigung des Ansehen des Amtes“ ein, wie Fromm einräumte.
Mit ein paar Tagen Distanz muss ihm klar geworden sein, dass sich Aufklärung und Konsequenzen hinziehen werden und ein Neuanfang notwendig machen. Dafür wäre Fromm nicht der richtige Mann gewesen.
Worin besteht die Brisanz?
Zwischen dem 4. und 10. November 2011 wurde den Experten allmählich klar, dass die Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für eine Mordserie an Ausländern verantwortlich waren. Mordwaffe und eine Bekenner-CD ließen daran keinen Zweifel. Sie sind zwar als die Zwickauer Terrorzelle bekannt geworden. Aber sie agierten in Thüringen und hatten enge Kontakte zum „Thüringer Heimatschutz“, einer rechten Gruppierung. Am 10. November wies Fromm sein Amt an, alle Akten zu durchforsten. Am 11. November ordnete ein Referatsleiter an, sieben Akten zu vernichten. Es waren just Informationen über die Anwerbung von Quellen im Milieu der Thüringer Neonazis. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Fromms Leute näher und länger am Mordtrio dran waren, als bislang eingestanden. „Das wäre ein Skandal sondergleichen“, sagt Petra Pau von der Linkspartei. Das hätte auch der Referatsleiter gewusst. Dann wäre die Akten-Schredderei das kleinere Übel gewesen. Gegenüber Fromm hat er die Aktion zurückdatiert. Fakt ist: Mundlos und Böhnhardt sind tot, Zschäpe sitzt im Gefängnis und schweigt. Die Akten sind vernichtet.
Kann sich Fromm aus der Verantwortung stehlen?
Nein. Er ist bis Ende des Monats im Amt. Das Ministerium erteilte ihm erst am Montag eine Aussagegenehmigung für den Berliner Untersuchungsausschuss. War der Referatsleiter alleine, hatte er Mitwisser? Um diese Fragen wird auch Fromm nicht herumkommen.
Wie geht es weiter?
Sein Stellvertreter Alexander Eisvogel übernimmt die Leitung, vielleicht auch dauerhaft. Eine interne Fachgruppe ermittelt. In der Politik wird der Ruf nach Konsequenzen laut und das Amt ganz allgemein schon in Frage gestellt.