Essen. . Der designierte Landesparteichef Armin Laschet spricht im Interview über neue Konkurrenten, einen Volksentscheid zu Europa und die Frage, wie die Union Rot-Grün angreifen will. Um seine Partei wieder nach vorne zu bringen, will er auf die Schwarmintelligenz seiner Mitglieder setzen - ganz wie die Piraten.

Kummerkasten, Konsensstifter, Kursgeber: Armin Laschet (51) ist in vielerlei Hinsicht gefragt, wenn ihn die nordrhein-westfälische CDU am kommenden Samstag in Krefeld zu ihrem neuen Chef wählt. Der frühere NRW-Integrationsminister übernimmt den größten Landesverband der Partei als Nachfolger des bei der Landtagswahl dramatisch gescheiterten Norbert Röttgen in politisch unruhigen Zeiten.

Herr Laschet, werden die Deutschen als Konsequenz aus der dramatischen Euro-Schuldenkrise über eine neue Verfassung abstimmen müssen?

Armin Laschet: Nicht aktuell, aber wenn wir eine echte politische Union schaffen und mehr Souveränität und weitere Entscheidungskompetenzen Europa übertragen, setze ich mich für eine Volksabstimmung über die Verfassung ein. Wir sollten eine Volksabstimmung nicht als Bedrohung für das Jahrhundertprojekt Europa sehen, sondern als Chance begreifen, unsere Politik besser zu erklären. Das Gelingen der Euro-Rettung ist die Schicksalsfrage, an der sich der Wohlstand in Deutschland entscheidet. Ich bin sicher, dass die große Mehrheit der Deutschen parteiübergreifend weiß, dass unsere Sicherheit und Zukunft von Europa abhängt.

Wer soll für „Euro-Bonds“ und eine Schuldengemeinschaft abstimmen?

Laschet: Mehr Europa bedeutet eine klare Einschränkung der Länder, die beim Euro dabei sein wollen, sich aber nicht an die Regeln halten. Eine Schuldenunion, in der es keine Sparanstrengungen mehr geben würde, wäre falsch. Erst wenn nach strengen Maßstäben und unter klarer Haushaltskontrolle gemeinsame Politik gemacht wird, kann man in der Zukunft über Euro-Anleihen sprechen.

"NRW-Landesverband muss mehr bringen als 26 Prozent" 

Warum ist es der nordrhein-westfälischen CDU nicht gelungen, mit dem Verschuldungsthema im Landtagswahlkampf gegen Rot-Grün zu punkten?

Laschet: Ich habe inzwischen mehr als 45 CDU-Kreisverbände im Land besucht und immer wieder dieselbe Klage gehört: Die offene Frage, ob unserer Spitzenkandidat nach Düsseldorf kommt oder nicht, habe vieles überlagert. Das hat Norbert Röttgen auch selber erklärt. Wir sind erst gar nicht in die inhaltliche Auseinandersetzung gekommen und waren gegenüber einem inhaltsleeren Gute-Laune-Wahlkampf der SPD von Beginn an in der Defensive.

Wie wollen Sie denn in den vergangenen Jahren verloren gegangenes Vertrauen in die Wirtschaftskompetenz der CDU wieder zurückerobern?

Laschet: Wenn die CDU die Bundestagswahl 2013 gewinnen will, muss der NRW-Landesverband mehr bringen als 26 Prozent. Da die zentralen Themen Eurostabilität und Energiewende sein werden, müssen wir die Sichtbarkeit unserer Wirtschaftskompetenz erhöhen. Ich freue mich, dass auch ein erfahrener Bundespolitiker wie Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter als Landesvize künftig in vorderster Front mithelfen will.

An welchen Stellen wollen Sie die rot-grüne Landesregierung konkret angreifen?

Laschet: Die Ministerpräsidentin schafft ein Energieministerium, belässt aber wesentliche Kompetenzen beim Umweltminister. Das ist falsch und schadet dem Ruhrgebiet. Die Energiewende gehört gerade in NRW in eine Hand. Viele Mittelständler und viele Bürger leiden schon heute unter steigenden Energiekosten und warten auf Antworten der Politik. Und das moderne Kohlekraftwerk Datteln muss endlich fertig gestellt werden.

Ist der frühere Bundeswirtschaftsminister Werner Müller für Sie als künftiger RAG-Stiftungschef akzeptabel?

Laschet: Die NRW-CDU hat immer betont, dass die RAG-Stiftung die Ewigkeitslasten des Bergbaus absichern soll und keine zweite WestLB werden darf. Sie ist kein Instrument der Industriepolitik und darf nicht unter parteipolitischen Einfluss geraten. Diese Grundsätze müssen bei der personellen Neuaufstellung gelten.

Stadt oder Land - wo setzt der neue Landeschef strategisch an?

Laschet: Wir werden Nordrhein-Westfalen nur wieder regieren können, wenn wir Städte und ländliche Gebiete gleichermaßen im Blick haben. Das schließt neue Modelle der Mitgliederbeteiligung ein. Bei der inhaltlichen Neuaufstellung der NRW-CDU will ich den Sachverstand möglichst vieler unserer 150 000 Mitglieder einbeziehen, was durch das Internet möglich wird. Zumindest da können wir uns von den Piraten manches abschauen. Auch ein Mitglied weit ab von Düsseldorf soll seine Ideen einbringen können. Wir brauchen Internetdiskussionen genauso wie das gemeinsame Bier beim Dämmerschoppen.