Essen. Was haben die U-Bahn in Ho Chi Minh-Stadt, die Stiftungen der politischen Parteien in Deutschland, die Schnapsproduktion und der staatliche Computerspiele-Preis gemeinsam? Dass ihnen der Steuerzahler in absehbarer Zeit die finanzielle Unterstützung abdrehen könnte.
Alleine der hoch umstrittene Zuschuss für den Ausbau des Nahverkehrs in Vietnams Metropole geht derzeit jährlich mit 13,5 Millionen Euro zu Lasten der Berliner Staatskasse. 80 Millionen Zuschuss erhält das Branntweinmonopol. Eine halbe Milliarde kostet die Kulturarbeit im Ausland. Mit 60 000 Euro schlägt es zu Buche, dass die Bundesregierung die Fremdsprachenausbildung von Bundesangehörigen unterstützt.
Die spendablen Zeiten sind bald vorbei
Die spendablen Zeiten, in denen solche Wohltaten möglich waren, dürften bald vorbei sein. Nicht nur die Kampagne des Bundes der Steuerzahler, aus der die aufgezählten Beispiele stammen, deutet darauf hin. In den Fluren des Bundestages sind sich auch die Abgeordneten zum Ende der Legislaturperiode einig gewesen, dass es nach dem Wahltag zur Sache geht: Die Finanzkrise fordert dann Opfer. Straffes Kürzen ist angesagt.
Sehr vorsichtig noch – wir sind mitten im Wahlkampf – deutete das gestern der Bundesfinanzminister an. „Unsere Staatsverschuldung”, mahnte Peer Steinbrück vor seiner SPD in Dortmund, „erreicht bald die Zwei-Billionen-Grenze”. Dann appellierte er an „Bauch und Verstand” der Genossen, Rücksicht „auf die 25- bis 35-Jährigen” zu nehmen, „die Kinder haben wollen”. Die dürften mit dem Abtragen der Schulden nicht noch mehr belastet werden. „Denken Sie an Ihre Kinder und Enkel.”
Neue Bundesregierung zum Kürzen verpflichtet
Die Details des bevorstehenden Schlachtfestes verschweigt Steinbrück noch immer hartnäckig. Doch der Sparplan, so die Prognose in Berlin, wird die öffentliche Debatte nach der Regierungsbildung im nächsten Winter beherrschen, wenn das neue Parlament den Haushalt 2010 debattiert. Gleich wer dann regiert: Die neue Bundesregierung ist zum Kürzen gesetzlich verpflichtet, weil die alte den Schuldenpakt unterschrieb. Der sieht die Senkung der jährlichen Neuverschuldung bis 2013 um ein Drittel vor.
Aber wo den Rotstift ansetzen?
Wo wird ein künftiges Kabinett den Rotstift ansetzen? Schnapszuschuss oder auch die 60 Millionen Euro „Anreiz” für die deutsche Filmproduktion könnten nach kurzer Auseinandersetzung schnell vereinnahmt sein. Schwieriger sind die großen Ausgabenblöcke. Überraschend zeichnet sich dabei ab, dass – gleich wer regieren wird – zunächst sämtliche Bildungsausgaben, dann aber auch die Sozialausgaben weitgehend tabu sein könnten. Bildung gilt als Investition in die Zukunft. Das Soziale, immerhin ein Brocken von 180 Milliarden Euro, wertet mittlerweile selbst die FDP als Daseinsfürsorge, die als „doppeltes Netz” in Krisenzeiten vorgehalten werden muss.
Ganz anders sieht es in der Entwicklungshilfe, im Verteidigungsetat und bei Beiträgen aus, die die Bundesrepublik für ihre Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zahlt. Überraschend: Rund fünf Milliarden Euro Masse könnte hier gespart werden. Verträge, heißt es in Berlin „können gekündigt werden”. Vorteil: Der Widerstand in der Bevölkerung wäre maßvoll.
Mit Sparen gestalten
Der Niederrheiner Otto Fricke hat keinen ruhigen Job. Als Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Bundestags ist er zwar einflussreich. Der FDP-Politiker muss aber nicht nur Nachtsitzungen durchstehen, in denen man Zahlenkolonnen addiert. Er muss auch das Geld zusammen halten.
Wie das angesichts der Rekordverschuldung künftig passieren wird? „Mehr den je”, so Fricke zur WAZ, „wird die Politik in Bereiche unterscheiden müssen, die Daseinsvorsorge sind und die, bei denen man sagt: Schön, dass wir sie uns leisten”. Letztere werden Kandidaten für den Rotstift. Ein Zweites: Mit Sparen könne eine Regierung gestalten.
So fragt er sich, ob die Entwicklungs-Unterstützung für Staaten wie China, Indien, Brasilien und Mexico noch zeitgemäß ist, wenn gleichzeitig dem afrikanischen Kontinent wirklich stärker geholfen werden müsste. Hier sieht er alleine eine Viertelmilliarde Euro Sparpotenzial.
Noch mehr erwartet Fricke aus dem Verteidigungs-Topf. Sind denn Großprojekte wie der Eurofighter oder das neue Transportflugzeug noch nötig, wenn andere Lösungen möglich werden? „Man muss”, fordert er, „notfalls auch mal härter mit den Herstellern verhandeln”.
Am wichtigsten ist für den Freidemokraten ein generelles Umdenken. Die große Koalition, kritisiert er, habe trotz anderslautender Erklärungen auch drastisch die Ausgaben erhöht. Das zu stoppen wäre ein erster, richtiger Schritt.