Berlin. Der Abgang von Oskar Lafontaine hilft der Linken. Denn der ehemalige Vorsitzende war Teil des Problems, nicht der Lösung. Sein Abgang ermöglicht der Linken einen Neuanfang, wie sie ihn braucht. Doch Vorsicht: Ein Lafontaine ist immer noch gefährlich. Ein Kommentar.
So kann man sich täuschen. So hat sich Oskar Lafontaine getäuscht: Er war nicht Teil der Lösung. Er war Teil des Problems. Mit seiner Bewerbung für den Vorsitz der Linken hat er die Linkspartei gespalten, in Ossis und Wessis, hier die Reformer und dort die Radikallinke. Also zog er am Dienstag seine Kandidatur zurück, aus Einsicht und mutmaßlich auch aus einem Gefühl der Kränkung heraus. Lafontaine meinte, dass ihm eine Kampfkandidatur gegen Dietmar Bartsch nicht zumutbar sei. Es wäre nicht der "krönende Abschluss" seiner Karriere gewesen. Doch, doch, das hat er so gesagt, wortwörtlich, persönlich nachvollziehbar, aber als demokratisches Lehrstück: ein Witz.
Die Linkspartei hatte sich zuletzt total verheddert in der Führungsdebatte. Immerhin, seinen ersten Eignungstest hat Bartsch bestanden: Er behielt die Nerven, ließ sich nicht einschüchtern. Früh hatte er seinen Machtanspruch angemeldet, und nun - da die Zeit bis zum nächsten Parteitag drängte - lief die Uhr zu seinem Gunsten. Es zeigte sich, dass der Ruf aus der Linkspartei nach dem Saarländer keinesfalls so eindeutig war wie Lafontaine glaubte. Dass Fraktionschef Gregor Gysi seine Mittlerposition aufgab und sich für Bartsch aussprach, war ein Fingerzeig.
Lafontaine wäre ohnehin nur eine Übergangslösung gewesen
Bartsch ist der richtige Mann. Er ist 14 Jahre jünger als Lafontaine, der mit seinen 68 Jahren bestenfalls ein Übergangsvorsitzender geworden wäre. Und er kommt aus der Mitte der Partei. Das ist immer noch der Osten. Außerdem steht er für einen Kurs der Annäherung an Rot-Grün, während sich Lafontaine an der SPD abgearbeitet hat. Das war auf dem Höhepunkt der Agenda-Reformen erfolgversprechend. Aber es verfängt nicht mehr. Mit der Piraten gibt es eine neue Protestpartei, die SPD bietet sich auch wieder als Opposition an und hat ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften normalisiert. Im Saarland hat die Linke verloren, in NRW und in Schleswig-Holstein ist sie sogar bedeutungslos. Trotz Lafontaine.
Es gibt - das zeigen dieselben Wahlen - eine linke Mehrheit, die nicht zum Zuge kommt. Das wichtigste Hindernis hat sich gestern selbst aus dem Weg geräumt. Aber Störpotenzial hat Oskar Lafontaine immer noch. Sie sollten ihn ja nicht zum Ehrenvorsitzenden küren. Einer wie Lafontaine würde glatt die Ehre mit dem Vorsitz verwechseln.