London. Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange kann nach Schweden ausgeliefert werden. Der Berufungsantrag des Australiers werde abgelehnt, entschied der Oberste Gerichtshof Großbritanniens. Ein juristischer Winkelzug verzögert jedoch das Auslieferungsverfahren.
Wikileaks-Gründer Julian Assange, der wegen mutmaßlicher Sex-Delikte in Schweden vernommen werden soll, darf vorerst in Großbritannien bleiben. Ein juristischer Winkelzug sichert dem 40-Jährigen weiterhin Zuflucht auf einem Landsitz in Norfolk, obwohl das Supreme Court, Großbritanniens höchstes Gericht, dem Auslieferungswunsch der schwedischen Staatsanwaltschaft am Mittwoch stattgegeben hat.
Assange hat den Kampf gegen seine Abschiebung nach Stockholm nun auch in höchster Instanz im Königreich verloren, dabei aber erneut Zeit gewonnen. Seine Anwältin Dinah Ross will den Fall in den nächsten 14 Tagen komplett neu aufrollen lassen, da die Londoner Richter sich bei der Unterstützung des Abschiebeersuchens auf das "Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen" (WÜK) beriefen - ein Dokument, so argumentiert Ross, das in keiner bisherigen Anhörung thematisiert wurde. Das müsse nachgeholt werden. Damit ist der Ausgang des juristischen Tauziehens wieder völlig offen.
Assange befürchtet Auslieferung in die USA
Rechtsexperte Joshua Rozenberg bezeichnete die überraschende Wende im Supreme Court gegenüber der BBC als "höchst ungewöhnlich": "In der Geschichte dieses Gerichts ist dies noch nie passiert. Wenn der Fall tatsächlich neu verhandelt werden muss, weil das Urteil auf Grundlage von Dokumenten gefällt wurde, zu denen sich im Vorfeld nicht alle Parteien äußern konnten, dann ist das peinlich."
Assange war selber nicht anwesend, hat aber in der Vergangenheit seine Sorge geäußert, dass schwedische Behörden ihn primär aus politischen Gründen festnehmen wollten und an die USA weiterreichen könnten. Seine Wikileaks-Webseite hatte Kriegsverbrechen von US-Truppen publik gemacht. Auch Wikileaks-Informant Bradley Manning, seit 2010 für die Weitergabe geheimer Militärdaten interniert, droht derzeit in den USA eine lebenslängliche Haftstrafe.
Tauziehen kann länger dauern
Assange soll in Stockholm zwar nicht zu seinen Wikileaks-Aktivitäten aussagen, sondern Vorwürfe der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung in zwei Fällen aufklären. Der Abschiebung konnte er sich bisher nur deshalb erfolgreich entziehen, weil es in formalen Detailfragen bei EU-Haftbefehlen noch immer große Unklarheiten zwischen den Ländern gibt. So ist die Auslieferung bis heute nicht vollstreckt worden, weil strittig war, ob die schwedische Staatsanwaltschaft einen solchen Haftbefehl überhaupt ausstellen darf - in Großbritannien sind nur Richter hierzu befugt.
Durch die neue Wende in dem Fall kann sich Assanges vergleichsweise komfortabler Hausarrest auf dem Landsitz Ellingham Hall noch sehr viel länger ausdehnen. Seine Anwälte haben angekündigt, ihr Anlagen bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu tragen, sollten sie in Großbritannien auch im nächsten Anlauf scheitern. Ein Ende der Assange-Saga ist vorerst in Sicht.