Ein Wanne-Eickeler Kinderarzt steht in Bochum vor dem Landgericht. Laut Anklage soll er Gewinne aus Wettbüros am Insolvenzverwalter vorbei in die eigene Tasche geschleust haben.
„Kinderarzt waren Sie doch auch noch“, bemerkt Richter Volker Wrobel. „Ja, hauptsächlich“, bestätigt der Angeklagte. Und dann erklärt der in Wanne-Eickel praktizierende Mediziner der XV. Strafkammer am Landgericht Essen, warum er nebenbei fünf Wettbüros betrieb.
Keine ganz leichte Erklärung. Denn gleichzeitig erläutert der 48-Jährige, ein im feinen Essener Stadtteil Bredeney wohnender gebürtiger Essener, dass sein Ausflug in eine manchmal kriminell anmutende Branche gar keinen Gewinn brachte. Denn die Anklage geht davon aus, dass es Gewinne gab und er diese an seinem Insolvenzverwalter vorbei in die eigene Tasche wirtschaftete. Betrug also, ein Bankrottdelikt. Doch das bestreitet er, weil es ja nur „virtuelle Gewinne“ gab.
2003 hatte der Kinderarzt Insolvenz angemeldet. Schiffbruch hatte er mit Firmen erlitten, die Softwareprodukte für Ärzte entwickelten. Er versicherte dem Konkursgericht damals, nur Einnahmen aus der Kinderarztpraxis zu erzielen und sonst ohne Vermögen zu sein. Der Insolvenzverwalter kassierte daraufhin alle Honorare, überwies ihm einen monatlichen Betrag zum Leben und bezahlte vom Rest die Gläubiger. Wenn man der Anklage glaubt, reichten ihm die monatlichen Überweisungen aber nicht. Er soll deshalb der Bundesknappschaft ein dem Insolvenzverwalter unbekanntes Konto genannt haben. Darauf landeten auch andere Einzahlungen: Rund 170 000 Euro in zwei Jahren.
Sein zweites finanzielles Standbein sollen Wettbüros gewesen sein. Fünf Büros, meist mit Ausländern am Annahmeschalter und einem permanent laufenden Fernseher, gründete er in Essen, Dortmund und Bochum. Zwei davon in Wanne-Eickel: Ein Büro lag an der Richard-Wagner-Straße, ein zweites an der Hauptstraße. Die Tageseinnahmen variierten. Gewinn will er zwar nicht gemacht haben, in Essen spricht er aber von vielen Kunden: „Gerade die Migrationsbürger, so die südländischen.”
Behördliche Genehmigungen für den Betrieb der Büros hatte der Arzt laut Anklage nicht, soll auch mit Strohmännern zusammen gearbeitet und später eine Betreibergesellschaft in England gegründet haben. Weit verzweigt sind die Geschäftsaktivitäten in der Wettbranche. Er arbeitete mit einem österreichischen Wettanbieter zusammen, dessen Abrechnungsfirma in Bosnien-Herzegowina saß und der vom Gewinn 50 Prozent bekommen sollte. Laut Anklage zahlte der Arzt einen Großteil der Provisionen nicht an die Österreicher aus. Schaden: Rund 250 000 Euro.
Freimütig erzählt er, wie gewettet wird und dass sich als Chef kein eigener Gewinn ermitteln lässt: „Da bist du 10 000 Euro im Plus, und dann setzt einer fünf Euro und macht damit 25 000 Gewinn. Schon bist du im Minus.“ Er selbst soll ohne Einsatz Wetten gespielt haben, die bei Gewinn gegolten hätten. Aber auch das bestreitet er. Vier weitere Tage plant die Kammer.