Ruhrgebiet. Ärzte erhalten vom Krankenhaus eine Prämie, wenn sie ihre Patienten in ihr Klinikum schicken. Wie oft das geschieht, ist allerdings unbekannt. Bis zu 1000 Euro kann der etsprechende Arzt an seiner Überweisung verdienen.
Arzt und Patient – das sollte das klassische Vertrauensverhältnis sein. Doch nun müssen Patienten befürchten, dass Ärzte versuchen, „sie zu verkaufen”.
So jedenfalls drückt sich Leonhard Hansen von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein aus, wenn er von den Bauchschmerzen spricht, die ihm die „Kopfprämien” bereiten. Ärzte erhalten vom Krankenhaus eine Prämie, wenn sie Herrn Müller oder Frau Meier in ihr Klinikum schicken. Wie oft das geschieht, könne man nicht sagen, so Hansen. Ob in fünf oder zehn Prozent aller Patientenkontakte, wer weiß es. „Es ist kein Massenphänomen. Das nicht. Aber es kommt vor.” Noch wisse man wenig. Auch nicht, ob die Zahlen stimmen, die die Deutsche Gesellschaft für Urologie auf den Markt gebracht hat. Demnach würden Ärzte von Kliniken etwa das Zehn- bis 20-Fache dessen bekommen, was ein Urologe sonst erhält.
Die Urologen draußen, so sagt Prof. Joachim Noldus vom Uniklinikum Marienhospital Herne, „kriegen pro Patient pro Quartal etwa 25 Euro. Damit ist alles abgedeckt. Die Prostata-Biopsie, das Händeschütteln – alles.” Wenn diese Ärzte keine Privatpatienten behandeln oder freiwillig zu zahlende Leistungen anbieten, „könne eine Einzelpraxis kaum bestehen”. Der Überlebenstrick laute: Ich schick Dir den Patient, Du gibst mir das Geld. Noldus ärgert das massiv. Er wehre sich gegen die Kopfpauschale – aber eigentlich müsse dieses Wehren doch überflüssig sein. „Es ist schlichtweg nicht mit unserer Berufs-Ordnung vereinbar.”
Teufelspakt
Stimmt, sagt KV-Chef Hansen, der sich in seinem Eifer, über den medizinischen Teufelspakt zu schimpfen („geht gar nicht”, „unethisch”) kaum beruhigen kann. Er warte nur darauf, die schwarzen Schafe zu packen. Einmal sei das sogar gelungen.
„Vor etwa fünf, sechs Jahren, da standen ganze Augenabteilungen in den Kliniken leer, weil immer mehr ambulant operiert wurde.” Mehr oder weniger offen hätten die Krankenhäuser damals versucht, ihre Kassen über „Zutreiber-Pauschalen” zu füllen. „Dagegen haben wir geklagt”, sagt Hansen. Erfolgreich wohlgemerkt. Denn erst einmal war Schluss mit lustig.
Doch dann, etwa vor vier, fünf Jahren, als die Fallpauschalen in die Kliniken Einzug hielten, ging es wieder los. Fallpauschale, das bedeutet vor allem: Die Patienten verlassen das Krankenhaus schneller, als es ihnen und der Klinik lieb ist. Die Folge: (zu) viele freie Betten. Also versuchte man, Kundschaft zu aktivieren. Doch auch die Ärzte waren einfallsreich. Hansen spricht von „erpresserischen” Methoden – „wenn ihr mir keine Kopfprämie zahlt, liebe Klinik, schicke ich meine Patienten eben woanders hin.”
Dabei, so heißt es auch von der Deutschen Krankenhausgesellschaft NRW, gebe es von den Kassen gestützte Kooperationen zwischen Arzt und Klinik im Rahmen von Versorgungs-Verträgen. Doch selbst das sei problematisch. Hansen: „Der Patient hat freie Arzt- und Krankenhauswahl.”
Arbeitsteilung
Das Verhältnis Klinik und Arztpraxis scheint ein sehr kreativer Bereich zu sein. Statt plumper Prämie komme sehr häufig die feinere englische Art ins Spiel: Das Krankenhaus macht nur noch den Hauptteil der Arbeit, die Vor- und Nacharbeit überlässt es den niedergelassenen Ärzten. Die wiederum erhalten dafür Geld von der Klinik.
Es geht auch anders
Nichts für Prof. Noldus, nichts für Prof. Altmeyer, Ärztlicher Geschäftsführer des Katholischen Klinikums Bochum. Eine vernünftige Vor- und Nachsorge sollte zum Standard gehören, also nicht extra bezahlt werden. Altmeyer: „Wir sind gegen derartige Pauschalen, auch auf die Gefahr hin, bei Zuweisungen Nachteile haben zu können.” Wie es in Münster der Fall sei. „Da versuchen kleine Häuser dem Klinikum damit Patienten abzujagen.”
Dass es auch anders geht, zeigt der Krankenhauszweckverband Köln, Bonn und Region. 159 Krankenhäuser haben im letzten Jahr beschlossen, „im Interesse eines fairen Wettbewerbs und eines kollegialen Umgangs miteinander” keine offenen oder verdeckten Einweisungspauschalen an Ärzte zu zahlen.