Essen. Nach dem Röttgen-Rausschmiss kehrt keine Ruhe bei der CDU ein. Mehrere CDU-Politiker kritisieren Merkel für ihre harte Entscheidung. Auch einen Tag nach seinem Rauswurf gibt es keine Äußerung des geschassten Umweltministers.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgt mit ihrer überraschenden Entlassung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen für Unruhe in der CDU. Kritik kommt vor allem aus Nordrhein-Westfalen, dem größten Landesverband. Die CDU-Chefin hatte Röttgen als Konsequenz aus dem NRW-Wahldebakel am Mittwoch gefeuert und ihren Vertrauten, Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier, als Nachfolger installiert. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer wies eine Mitverantwortung für den Rauswurf zurück. Die Opposition wertete die Entlassung als Zeichen einer zerfallenden Regierung.

Es war das erste Mal in ihrer knapp siebenjährigen Amtszeit, das Merkel einen Minister entließ. Für die schwarz-gelbe Bundesregierung ist es die vierte Kabinettsumbildung seit ihrem Start 2009.

Der 46-jährige Röttgen hatte als NRW-Spitzenkandidat am Sonntag das schlechteste CDU-Wahlergebnis aller Zeiten im bevölkerungsreichsten Land eingefahren. Die CDU stürzte an Rhein und Ruhr auf 26,3 Prozent ab. Seinen Rückzug vom CDU-Landesvorsitz hatte Röttgen direkt am Wahlabend verkündet. Der Politiker, der auch stellvertretender CDU-Chef ist, galt vor dem Wahldebakel als Hoffnungsträger der Union. Röttgen selbst äußerte sich auch am Donnerstag nicht zu der Entlassung. Er wurde bei der Kabinettsitzung am Mittwoch das letzte Mal gesichtet, dann tauchte er ab. Auch seine Sprecherin ist nicht mehr erreichbar.

Bedauern und Unverständnis in der NRW-CDU

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bedauerte das Aus. "Es ist bedauerlich für ihn als unmittelbar Betroffenen, für das Ressort und auch für die Partei", sagte Lammert am Mittwoch in Erfurt. Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zeigte sich irritiert über die Art und Weise, wie Röttgen entlassen wurde. "Ich hätte ihm im Amt eine zweite Chance gegönnt", sagte Bosbach "Zeit Online". "Ein bisschen mehr Menschlichkeit würde uns ganz gut anstehen", sagte er.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Donnerstag im WDR, das Wahlergebnis in NRW habe der CDU "richtig weh" getan und "dann rumpelt es auch in der Partei". Das ändere aber nichts daran, dass Röttgen in der Bundespolitik "eine hervorragende Arbeit geleistet hat". Wahlentscheidungen seien manchmal hart "und die Politik ist überhaupt nicht nur so ein ganz einfaches Geschäft. Manche wollen ja sich deswegen auch gar nicht politisch engagieren".

Indessen reklamiert die nordrhein-westfälische CDU einen der Stellvertreterposten für sich, falls Röttgen auch sein Amt als CDU-Bundesvize niederlegen sollte. "Wir werden weiter darauf bestehen, als stärkster Landesverband auch künftig prominent in der Parteispitze vertreten zu sein", sagte der Generalsekretär der NRW-CDU, Oliver Wittke, der "Rheinischen Post". Fraktionschef Karl-Josef Laumann hatte zuvor gesagt, die Entlassung Röttgens habe ihn erschreckt.

Bayerns Ministerpräsident Seeofer lehnte eine Mitverantwortung für die Entlassung ab. "Das hat die Kanzlerin souverän und selber gemacht", sagte Seehofer am Donnerstag im oberbayerischen Dießen am Ammersee. Gleichzeitig lobte Seehofer Röttgens Nachfolger Altmaier. "Der macht das, der hat die Kraft und die Kreativität", sagte er. "Die Energiewende wird einen Schub bekommen", betonte Seehofer.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) äußerte Verständnis für die Entlassung. Die Entscheidung sei "nachvollziehbar", sagte Söder. Insgesamt habe es großen Unmut über Röttgens Führung des Landtagswahlkampfes in Nordrhein-Westfalen gegeben. "Das ist eine klare Entscheidung der Kanzlerin. Sie hat das Recht dazu und sie hat klar und eindeutig entschieden."

Protokoll eines Rauswurfs 

Noch am Montag hatte die CDU-Vorsitzende Merkel an Röttgen als Bundesumweltminister festgehalten. Am Montagabend ließ dann CSU-Chef Horst Seehofer seinem Unmut über Röttgen in einem Interview freien Lauf. Am Dienstag sprach Merkel mit Röttgen und legte ihm einen Rücktritt nahe. Nach dapd-Informationen aus Regierungskreisen weigerte sich Röttgen aber und wollte im Amt bleiben. Es kam zum Streit. Am Mittwoch teilte ihm Merkel dann nach der Kabinettssitzung am Vormittag seinen Rauswurf mit. Am Nachmittag trat sie vor die Presse, verkündete die Entlassung und präsentierte Altmaier als Nachfolger.

Neuanfang mit Altmaier

Altmaier sagte, er freue sich auf die Herausforderungen. Er sei sich der großen Verantwortung bewusst. Die Energiewende sei eine "gesamtgesellschaftliche Herausforderung", von der viel abhänge. Er wolle sich "mit ganzer Kraft und vollem Engagement" darum kümmern.

FDP-Chef Philipp Rösler trug die Entlassung mit. Die FDP sehe in der Entscheidung der Bundeskanzlerin zur Neubesetzung "eine Fortsetzung der stabilen Zusammenarbeit in der Regierungskoalition", erklärte Rösler. Er freue sich nun auf die Kooperation mit Altmaier, erklärte der Bundeswirtschaftsminister.

CSU-Chef Horst Seehofer meinte im Rundfunksender "B5 aktuell", nach dem, was ihm die Kanzlerin gesagt habe, habe Handlungsbedarf bestanden. Merkel habe ihn gegen 16.00 Uhr am Mittwoch über die Beweggründe der Entlassung informiert. Näher wollte sich Seehofer nicht äußern.

SPD spricht von Bauernopfer - Forderung nach Neuwahl

Die SPD sieht in Röttgen ein "Bauernopfer" Merkels. Die Kanzlerin habe sich damit selbst vor Kritik schützen wollen, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Donnerstag. "Die Entlassung ihres ehemaligen Vertrauten ist ein Zeichen der Schwäche. Angela Merkel gesteht damit ein, wie schlimm es um die Regierung steht", sagte Oppermann.

Der Sprecher des einflussreichen konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, forderte als Konsequenz Neuwahlen im Bund. "CDU, CSU und FDP beschäftigen sich nur noch mit sich selber", sagte Kahrs "Handelsblatt Online". Zudem verliere die Koalition in den Ländern eine Wahl nach der anderen und damit auch ihre Mehrheit im Bundesrat. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir verlangte, Merkel müsse die Energiewende jetzt zur Chefsache erklären.