Berlin. Der Saarländer Peter Altmaier der heimliche Krisenbeauftragte der CDU-Chefin. Sie kennt, sie schätzt ihn. Ein Umwelt-Fachmann ist der Christdemokrat nicht, aber er gilt als Machertyp. Er ist Merkels Mann für einen unbelasteten Neuanfang im Umweltressort.

Und plötzlich war er weg. Seit Mittwoch ist Norbert Röttgen nur noch ein ehemaliger Umweltminister. Ohne großes Federlesen hat sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) von ihm getrennt. Er wollte nicht gehen, aber er musste. Im Klartext: Es war kein Rücktritt. Es war eine Entlassung. Sage noch einer, dass Merkel zaudert und zögert.

Am Morgen bat sie Bundespräsident Joachim Gauck am Telefon - er ist im Urlaub - um Röttgens Entlassung. Am Nachmittag hatte sie mit Peter Altmaier schon einen Nachfolger parat. Man konnte auf ihn kommen, weil er schon bisher Merkels Troubleshooter, ein Problemlöser, war. Aber man hätte den Nachfolger eher in den Reihen der NRW-CDU vermutet. Die büßt ihren Einfluss im Kabinett ein, und damit ist klar, wer neben Röttgen verliert: seine Landespartei. So jäh, so harsch, so unsentimental - ohne große Worte - hat sich ein Regierungschef selten von einem Minister getrennt.

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Um 16. 30 Uhr geht sie im Kanzleramt vor die Presse. Schnell eilt sie zum Pult. Die Journalisten erleben eine blasse, wortkarge Regierungschefin, die keine Fragen zulässt und Röttgen auch nur mit dürren Worten dankt. Merkels Schlüsselwort: Personeller Neuanfang.

Die Energiewende hatte er eingeleitet. Aber die weitere Umsetzung erfordere „große Anstrengungen“. Die traut sie Röttgen nicht mehr zu. Am Montag hatte sie noch von der Kontinuität geredet, die „notwendig“ sei. Das klang kühl, aber immerhin noch so, als werde er geduldet. Nun ahnt man, dass sie die Kontinuität der Aufgabe und nicht etwa des Amtsträgers meinte. Dazwischen lagen allerdings auch 48 Stunden. 48 heftige Stunden, in denen sich viele, allen voran die CSU, weigerten, zur Tagesordnung überzugehen. Die Konsequenzen sind nun gezogen. Wie ein Komet war er aufgestiegen, mit 46 Jahren schon Chef des größten CDU-Verbandes, wichtiger Minister, schwarz-grüner Vordenker und hier und da schon als Merkel-Nachfolger gehandelt. Man vergisst, dass Kometen verglühen.

Minister ohne Freunde in Berlin

Der Minister tauchte erst mal ab. Allein die Empörung seiner Landespartei ist zu vernehmen: Viele Freunde hat der Mann nicht in Berlin. Aber Altmaier ist einer von ihnen. 1994 kamen beide in den Bundestag, beide gehörten in jenen Bonner Tagen zur „Pizza Connection“, die sich beim Italiener mit den Grünen traf. Altmaier war schon sein Nachfolger als Fraktionsmanager, und nun auch als Minister.

Beide sind „Merkelianer“. Aber es gibt einen Unterschied. Röttgen hat sich von ihr emanzipiert; und man spürte im Gespräch, dass er nicht mit allem einverstanden war und vieles anders gemacht hätte. Hingegen ist der Saarländer der heimliche Krisenbeauftragte der CDU-Chefin. Sie kennt, schätzt ihn und folgt im übrigen dem Vorbild Helmut Kohls. Auch er hat Fraktionsmanager (Bohl, Rüttgers, Schäuble, Seiters) als Personalreservoir betrachtet, aus dem er sich gern bedient hat. Schon am Montag gab es Gerüchte, dass Röttgen der Politik den Rücken kehren wollte. Er selbst hat sie dementiert. Aber man weiß ja: 48 Stunden können in der Politik eine sehr lange Zeit sein.

Die Grünen sprechen von einem „Bauernopfer“. Das kann im Schach auch ein guter Zug sein. Zum einen hat die Koalition nun einen Sündenbock für Versäumnisse bei der Energiewende. Zum anderen stand er zuletzt unter Beschuss. Erst am Freitag war er mit dem Solargesetz im Bundesrat - auch von den Unions-Ministerpräsidenten blockiert - gescheitert.

Altmaier ist ein Mann mit Statur, auch buchstäblich (Diäten hat er längst aufgegeben). Der „Piraten“-Versteher war in Brüssel tätig, kennt sich in der EU aus und war mal Staatssekretär im Innenressort. Ein Umwelt-Fachmann ist er nicht, aber ein Machertyp. Ein Mann für einen unbelasteten Neuanfang.