Brüssel. Einst galt ein Ausscheiden des pleitebedrohten Griechenlands aus dem Euro als Albtraum. Mittlerweile ist dieses Szenario kein Tabu mehr für die Europäer. Fragen und Antworten rund um das bisher undenkbare Szenario.
Seit zwei Jahren hängt Griechenland am Notkredite-Tropf der Europäer. Trotzdem ist kein Ende der Finanzmisere in Sicht. Im Gegenteil: Der Schuldenstaat steckt in bedrohlichen wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten. Die Geduld der Europäer schwindet.
Zwar möchten sie, dass Griechenland im Euro-Währungsraum bleibt. Ein Austritt des Mittelmeerstaats gilt den Europäern jedoch nicht mehr als Albtraum. Die Folgen erscheinen wichtigen Politikern als vertretbar - vertretbarer jedenfalls als ein endloses Griechen-Drama..
Wer bestimmt, ob die Griechen zu ihrer alten Währung Drachme zurückkehren?
Allein die Griechen. Im EU-Recht ist nicht vorgesehen, ein Land aus dem Euro-Raum zu werfen. Aus Sicht der EU-Kommission kann ein Land die Währungsunion nur verlassen, wenn es auch aus der EU ausscheidet.
Den Griechen könnte bald jedoch nichts anderes übrig bleiben, als dem Euro den Rücken zu kehren. Der Staat ist offiziell bis zum Sommer dank europäischer Notkredite zahlungsfähig. Um weiterhin Notkredite zu erhalten, muss die neue, noch zu bildende Regierung weitere Spar-Schritte beschließen. Schafft oder will sie das nicht, drohen die Europäer damit, kein Geld mehr nach Athen zu überweisen – der Staat wäre pleite.
Was würde Griechenlands Rückkehr zur Drachme kosten?
Das kann niemand vorhersagen. Zu den Kosten kursieren höchst unterschiedliche Schätzungen. Experten mutmaßen, dass Deutschland Schäden bis zu 80 Milliarden Euro drohen. Allen Euro-Staaten drohten direkte Kosten von fast 280 Milliarden Euro. In diesen Schätzungen sind Folgekosten nicht enthalten.
Als gesichert gilt, dass Investoren dann noch weniger Vertrauen als bisher in Griechenland hätten – und sich noch mehr scheuten, dort Werke zu bauen, Unternehmens-Zweigstellen aufzumachen oder dem Staat Geld zu borgen. Das würde die marode griechische Wirtschaft noch stärker in Mitleidenschaft ziehen.
Manche Experten glauben, dass die Währungsunion den Abgang Griechenlands verkraften könnte. Andere fürchten eine Katastrophe und das Auseinanderbrechen des Euro-Raums.
Was sagen die Schwarzseher?
Sie warnen vor einer Kettenreaktion, falls Griechenland aus der Eurozone ausscheidet. Denn auch Portugal und Irland sind auf europäische Notkredite angewiesen. Finanzmarkt-Akteure wie Banken und Versicherer könnten fürchten, dass es auch diese Länder nicht schaffen, ihre Staatshaushalte ins Lot zu bringen, Schulden zu senken und ihrer Wirtschaft Schwung zu verleihen.
Zudem kriseln die deutlich größeren Euro-Staaten Spanien und Italien. Für sie ist es viel teurer geworden, sich Geld an den Finanzmärkten zu borgen.
So eine Kettenreaktion im Euro-Währungsraum sei das “Hauptrisiko”, sagt Belgiens Notenbank-Chef Luc Coene, der im Führungsgremium der Europäischen Zentralbank (EZB) sitzt. “Der Rest ist handhabbar.”
Wie argumentieren die Optimisten?
Optimisten glauben, dass der Euro-Raum einen Austritt Griechenlands mittlerweile verkraften könnte. Ihr Argument: Deutschland und die anderen 16 Euro-Staaten haben haben ihre Währungsunion in den vorigen zwei Jahren widerstandsfähiger gemacht.
Die Staaten errichteten einen hunderte Milliarden schweren Rettungsfonds, aus dem klamme Euro-Staaten Notkredite erhalten können. Im Gegenzug müssen sie aber Spar- und Reform-Auflagen erfüllen, um finanziell zu gesunden.
Zudem drohen staatlichen Haushalts- und Schulden-Sündern nun Strafen, wenn sie zu lange unsolide wirtschaften und sich nicht an europaweit vereinbarte Vorgaben halten.
Die Europäer bemühen sich zugleich seit Monaten, Griechenland als absoluten Sonderfall im Euro-Raum darzustellen. So wollen sie das Ansteckungsrisiko minimieren, das von der kleinen taumelnden Volkswirtschaft ausgeht.
Wollen die Griechen den Euro behalten?
Ja. Die meisten Bürger sind laut jüngsten Umfragen gegen die Rückkehr zur Drachme. Mehr als 78 Prozent verlangen von einer neuen Regierung, alles zu tun, damit das Land im Euro-Raum bleibt.