Frankfurt/Main. . In der Finanzmetropole London hat sich die Wettquote auf einen Austritt Griechenlands aus dem Euro erhöht. Die Credit Suisse geht inzwischen statt von fünf von15 Prozent Wahrscheinlichkeit dafür aus. Britische Banker schätzen sie sogar auf bis zu 50 Prozent ein. Experten warnen vor den Folgen für den gesamten Euroraum.
Mit jedem Interview, mit jeder Talkshow wächst der Eindruck, deutsche Politiker würden Griechenland am liebsten aus dem Euro rauswerfen. Sollte Athen sein Regierungschaos nicht beseitigen, sei ein Austritt gar „unvermeidlich“, sagte am Freitag CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte, die Eurozone sei mittlerweile widerstandsfähiger geworden. Dass er damit einem Austritt das Wort geredet habe, dementierte sein Ministerium.
Gleichwohl: Auch renommierte Volkswirte sprechen immer häufiger über einen Austritt Athens aus der Währungsunion. Obwohl sie wissen, dass dieser Fall in den EU-Verträgen gar nicht vorgesehen ist.
„Ein Land kann nicht einfach aus dem Euro-Verbund austreten oder ausgeschlossen werden“, sagt Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Formal bleibe nur der Austritt aus der Europäischen Union. Dafür gibt es seit 2009 im neu formulierten Vertrag von Lissabon eine Regelung in Artikel 50: „Jeder Mitgliedsstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten“. Wer aus der Union austritt, gehört dann automatisch auch nicht mehr zum Euro-Verbund.
Formal steht dieser Weg Griechenland wie jedem anderen EU-Staat offen. Nach Ansicht von Stefan Bielmeier von der DZ Bank ginge es aber auch anders: Griechenland könnte im Euro bleiben, aber parallel eine neuen Drachme einführen. Das erinnert an Zeiten der Deutschen Mark: Damals galt sie etwa auf dem Balkan als zweite, harte Währung, mit der etwa Importe bezahlt wurden.
Eine „neue DM“ müsste um 40 Prozent aufwerten
In London angesiedelte Volkswirte großer Banken wetten bereits auf den Austritt Griechenlands aus dem Euro. Er habe die Wahrscheinlichkeit dafür von fünf auf 15 Prozent erhöht, hieß es dieser Tage über Andrew Garthwaite, Finanzmarktstratege bei Credit Suisse. Die Wahrscheinlichkeit eines Zerfalls der Eurozone bewertet er mit zehn Prozent. Andere Banken sprechen mit Blick auf den Austritt Athens von 40- und sogar 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit. Von Volkswirten aus Frankfurt sind solche Zahlenspiele kaum zu hören, auch wenn einige bei einer Staatspleite für Athen kaum einen anderen Weg als den Austritt sehen.
„Das ist allein eine politische Entscheidung, aber sie ist den Griechen nicht zu empfehlen“, sagt Allianz-Chefökonom Michael Heise. Denn ein Austritt löse die Probleme des Landes nicht. „Die Schulden bleiben in Euro“, sagt Heise. Außerdem sinken die ohnehin schon deutlich abgerutschten Einkommen weiter, die Preise steigen, die neue Drachme wertet, schätzen Ökonomen, um die Hälfte ab. Ganz abgesehen vom riesigen organisatorischen Aufwand, die Drachme wieder einzuführen und alle Geschäftsvorgänge auf die neue, alte Währung umzustellen.
Auch HWWI-Chef Straubhaar warnt. Das Ausscheiden eines oder gar mehrerer Eurostaaten aus dem Verbund beschwöre die Gefahr einer „schweren globalen Finanz- und Wirtschaftskrise“ herauf. Dann sei auch das politische Projekt Europa gefährdet, der globale Einfluss Europas schwinde. Für die Wirtschaft sei all das fatal.
Damit stellt Straubhaar klar, was er von noch weitergehenden Ideen hält, die im Internet kursieren. Dort werden Gerüchte gestreut, Druckplatten für die Herstellung neuer DM-Scheine seien bestellt und auch alte, übriggebliebene DM-Scheine würden wieder ausgegeben. Schon 2010 wurden Thesen lanciert, im Berliner Finanzministerium laufe bereits eine streng geheime Aktion unter dem Motto „Neuro“ für den Austritt Deutschlands aus dem Euro.
Für Allianz-Volkswirt Rolf Schneider sind dies absurde Ideen. Ein Zerfall der Eurozone wäre für Deutschland fatal. Die neue DM werde um bis zu 40 Prozent aufwerten, der Export um mindestens 15 Prozent schrumpfen, eine Million Arbeitsplätze gingen verloren.