Madrid. . In Spanien sind am Wochenende Hundertausende Menschen gegen die Sparpolitik der konservativen Regierung auf die Straße gegangen. In der Hauptstadt Madrid zogen die Demonstranten auf den zentralen Platz Puerta del Sol, wo vor knapp einem Jahr die sogenannte Empörten-Bewegung entstanden war. In 80 Städten gab es Demonstrationen. Die Wut der Jugend richtet sich gegen die Banken und die Politik.
Auf dem weißen Transparent prangt nur ein großes Wort des Protestes: „Diebe.“ Dahinter reckt ein junger Mann ein Pappschild hoch mit dem Text: „Schluss mit dem Bankenbetrug.“ Ein anderer ruft: „Gebt uns unser Geld zurück.“ Der heftige Unmut über die fragwürdige Rolle der spanischen Banken in der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise des Landes war nicht zu übersehen.
An diesem Wochenende machte Spaniens junge Generation der „Empörten“ mit Massendemonstrationen in vielen Städten erneut klar, dass sie nicht zu schweigen gedenkt. Allein in Madrid und Barcelona gingen mehr als 100 000 Menschen auf die Barrikaden.
Milliardenhilfen für die Banken
Gerade erst hatte Spaniens Regierung die Großbank Bankia per Verstaatlichung und mit Milliardenhilfen retten müssen. Umfragen lassen wenig Zweifel daran, dass gut zwei Drittel der Bevölkerung dagegen sind, jenen Geldhäusern mit Steuergeldern unter die Arme zu greifen, die sich mit Immobilienspekulationen übernommen und Spanien in die Krise geritten haben. Einige Demonstranten in der Hauptstadt Madrid trugen „Kapitalismus-Brillen“, auf deren Gläsern Dollar- und Eurosymbole klebten. „Kein einziger Euro für die Banken“, lautete eine der Parolen, die auf den Straßen immer wieder gerufen wurde.
Die Wut auf der Straße über die Geldinstitute ist auch deswegen groß, weil es für viele Spanier so aussieht, als ob der kleine Mann nun die Rechnung für „Exzesse, Korruption und Spekulation“ bezahlen müsse. Und Zorn erregt auch, dass die Bankiers derzeit gnadenlos zigtausende Bürger via Räumungsklage aus den eigenen vier Wänden werfen, weil die Betroffenen, nachdem sie ihren Job verloren, ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen können. Allein im vergangenen Jahr gab es 60 000 solcher Zwangsräumungen.
Gigantischer Immobiliencrash
Spaniens Krise, die durch einen gigantischen Immobiliencrash ausgelöst wurde, hat Millionen Menschen arbeitslos gemacht und in den Ruin getrieben. Die Arbeitslosigkeit liegt heute bei fast 25 Prozent, bei den unter 25-jährigen ist jeder zweite ohne Stelle. Durch die Überschuldung des Staates sieht sich die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy gezwungen, den Bürgern immer härtere Kürzungen zu verordnen. Auch im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie bei Sozialleistungen wird die Axt angesetzt.
Das Epizentrum der spanischen „Indignados“ (Empörten), die zum Vorbild für die weltweite Occupy-Bewegung wurden, befindet sich im Herzen Madrids auf dem Platz „Puerta del Sol“. Dort begann vor einem Jahr der Aufschrei der Jugend, die wegen ihrer Perspektivlosigkeit von den Soziologen als „verlorene Generation“ bezeichnet wird. Mit Massenmärschen, Sitzstreiks, basisdemokratischen Versammlungen und Protestcamps. „Seitdem ist die Lage sogar noch schlimmer geworden“, meint ein junger Mann.
Nackte Tatsachen
Eine Gruppe von Demonstranten lässt im Zentrum Madrids als Zeichen des Protestes die Hosen runter. Ihre nackten Tatsachen verstecken sie hinter einem Transparent mit dem Schriftzug „Gegen die Kürzungen“. Hunderte Schilder mit der klaren Botschaft „No“ leuchten über den Köpfen der Demonstranten im Sonnenlicht. „Wir haben keine Angst. Das sind unsere Waffen“, schallt es aus der Menge in Richtung der Polizei-Einheiten rings herum.
Am Sonntagmorgen räumen die Beamten die „Puerta del Sol“. Nur wenige Stunden später, am Sonntagnachmittag, sind auf Platz wieder neue Protestrufe zu hören.