Kiel. . SPD und Grüne planen eine Koalition mit dem SSW. Doch die Mehrheit im Landtag wäre äußerst knapp. Das weckt Erinnerungen an die gescheiterte Ministerpräsidentenwahl von Heide Simonis 2005.
Er braucht dafür ein bisschen Glück. Aber Torsten Albig, bisher Kiels sozialdemokratischer Oberbürgermeister, wagt wohl die „Dänen-Ampel“. Der SPD-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein will das Land mit nur einem Mandat Mehrheit regieren. Es wäre eine Premiere: Ein Abgeordneter der dänischen Minderheit könnte zum ersten Mal Minister werden.
In der Nacht zum Montag haben Sozialdemokraten, Grüne und der Südschleswigsche Wählerverband SSW das Experiment im Grundsatz verabredet. Sie nennen es – politisch korrekt – „Schleswig-Holstein-Ampel“. „Die Zahlen geben es her“, glaubt Albig, den die Landespartei unter ihrem linken Chef Ralf Stegner drängt, den Politikwechsel ohne die CDU zu gestalten. „Ich bin überzeugt, diesmal klappt es“, sagte auch der SSW-Politiker Lars Harms.
Wer ist dieser SSW?
Zunächst: Keine Partei nach bundesdeutschen Maßstäben. Er wurde auf Anordnung der britischen Besatzung eingerichtet, die im Nachkriegsdeutschland die Vertretung der Interessen der dänischen Minderheit sichern wollte. Der SSW braucht keinen fünfprozentigen Stimmenanteil, um in den Landtag einzuziehen, was CSU-Altvater Franz Josef Strauß schon ärgerte („Sollen Dänen Deutschland regieren?“). Der Verband stellt eigene Kandidaten nur im äußersten Norden um Flensburg auf, im sogenannten Südschleswig. In Flensburg stellt er mit Simon Faber den Oberbürgermeister.
Die Rolle des „Züngleins an der Waage“ hat der SSW nicht zum ersten Mal. Unter dem legendären Parteiführer Karl Otto Meyer bewirkte er, dass 1987, unmittelbar nach dem Auffliegen der Barschel-Affäre, keine CDU-FDP-Regierung zustande kam. Es gab Neuwahlen. Björn Engholm (SPD) konnte die Regierung übernehmen.
2005 gab es zum zweiten Mal Schlagzeilen: Die Abgeordneten der dänischen Minderheit wollten der rot-grünen Koalition unter Ministerpräsidentin Heide Simonis ins Amt helfen. Das scheiterte an einem bis heute unbekannten Sozialdemokraten („Heide-Mörder“), der der verabredeten Mehrheit die Stimme in vier Wahlgängen verweigerte.
Durch den Wahlkampf geradelt
Das Gesicht des Verbandes ist heute die 64-jährige Anke Spoorendonk, eine von vier SSW-Abgeordneten im neuen Landtag. Sie radelte im Wahlkampf quer durch Schleswig, machte aber auch Stimmung für ihr „Naturprodukt ohne Berliner Zusätze“ im südlicheren Holstein.
Ihre Zuneigung zur SPD, die es immer gab, hat 2012 besonders handfeste Gründe: Die abgewählte schwarz-gelbe Regierung hat dem SSW gerade erst Gelder für die hochangesehenen dänischen Schulen gekürzt, was selbst in Kopenhagen zu Unmut führte.
Beim Protest dagegen brachte Spoorendonk 10 000 der rund 50 000 „Dänen“, die in Deutschland leben, auf die Flensburger Straßen. Schön für SPD-Mann Albig: Die Truppe beweist Disziplin.