Kiel.. Die CDU und ihr Spitzenkandidat Jost de Jager (CDU) holen bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein knapp mehr Stimmen als die SPD. Deren Frontmann Torsten Albig steuert dennoch eine Koalition mit den Grünen und dem SSW an. Und die Liberalen sind wieder da.

 Die bisherige schwarz-gelbe Koalition in Schleswig-Holstein ist am Sonntag abgewählt worden. Stattdessen setzt SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig trotz knapper Mehrheitsverhältnisse auf ein von ihm geführtes Regierungsbündnis mit Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW). Die CDU bleibt Hochrechnungen zufolge aber stärkste Kraft und meldete ebenfalls den Anspruch auf die Regierungsführung an. Die Grünen jubelten über ihr „historisches Wahlergebnis“, die Piraten über ihren Einzug ins Parlament, die FDP über ihre politische Wiederauferstehung. Sechs Parteien wird der neue Landtag haben.

Vorläufiges amtliches Endergebnis:

ParteiStimmen in ProzentGewinne/VerlusteMandate
CDU30,8-0,722
SPD30,4+5,022
Grüne13,2+0,810
FDP8,2-6,76
Piraten8,3+6,46
SSW4,6+0,33
Linke2,2-3,80

(Der Südschleswigsche Wählerverband SSW, die Partei der dänischen Minderheit, ist von der Fünf-Prozent-Regelung befreit)

Kubicki, der große Sieger

Wolfgang Kubicki (60), das Urgestein der Nord-FDP aus Genschers und Möllemanns Zeiten, hat die tot gesagten Liberalen auf der Zielgeraden in den Kieler Landtag gepeitscht. „Es ist ein unglaublicher Erfolg“, sagte er sichtlich stolz in einer ersten Reaktion. Er machte klar, dass die FDP in Kiel anders ist als die in Berlin. Rund acht Prozent hat der liberale Quertreiber, durch eine Bronchitis geschwächt, geholt. „Es ist das zweitbeste Ergebnis, das wir je in Schleswig-Holstein geholt haben“, jubelte Kubicki. Sensationelle 98 Prozent der Wähler kennen ihn. Mischt er mit beim Poker um die neue Regierung? Gerne würde Kubicki Finanzminister in einer schwarz-gelb-grünen Koalition. Sie scheint rechnerisch möglich. Wichtiger war für ihn aber der Wiedereinzug ins Parlament.

Die enttäuschte SPD

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Torsten Albig (45), beliebter Kieler Oberbürgermeister und lange Zeit enger Vertrauter von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, ist durchaus populär und moderat. Er hatte sich Rot-Grün erhofft. Daraus wird nun nichts. „Aber es ist ein Ergebnis, bei dem wir einen Politikwechsel noch erreichen können“, gab Albig am frühen Abend trotz der Enttäuschung als Devise aus. Gelassen war Albig zuvor noch bei einer Konfirmation in NRW gewesen. Doch am Abend blieben für ihn zunächst nur zwei Chancen einer Regierung: Eine knappe „Dänen-Ampel“ mit dem Südschleswigschen Wählerverband SSW – oder eben die große Koalition.

CDU – nach allen Seiten offen

Piratenpartei setzt auf neue Schubkraft für NRW-Wahl

Der neue Chef der Piratenpartei, Bernd Schlömer, erhofft sich vom Erfolg in Schleswig-Holstein "Schubkraft für die NRW-Wahl". Schlömer sagte der WAZ-Mediengruppe, "es wäre schön, wenn das Wahlergebnis zwischen 6,5 und 8,5 Prozent liegen würde." Bisher peilen die "Piraten" im größten Bundesland 6,5 Prozent an. In Schleswig-Holstein habe sich gezeigt, dass seine Partei auch ein Flächenland für sich gewinnen könne, so Schlömer. Eine Regierungsbeteiligung schloss er ausdrücklich nicht aus. "Die Piraten in NRW sind durchaus in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Aber das ist eine Entscheidung des Landesverbands", versicherte Schlömer

Jost de Jager (47), der erst kurzfristig die Kandidatur wegen einer Liebelei seines Vorgängers übernahm, ist weit spröder als Albig. Er erhält in Umfragen aber das Kompliment, „kompetenter“ zu sein. Am frühen Wahlabend sagte er: „Schleswig-Holstein braucht stabile Ergebnisse. Wir werden unserer Verantwortung nachkommen und mit allen Parteien, die dafür in Frage kommen, Gespräche führen.“  Jager setzt daher offenbar auf eine große Koalition in dem norddeutschen Bundesland. Er könne sich eine Zusammenarbeit mit SPD-Spitzenkandidaten Torsten Albig durchaus vorstellen, sagte Jager: "Zwischen uns als Person würde da nichts stehen." Es gehe vor allem darum, dass man eine inhaltliche Ebene für eine solche Zusammenarbeit finde.

Albig will die "Dänen-Ampel" - Piraten bieten Unterstützung an

Könnten Albig und de Jager miteinander? Viel deutet darauf hin. Noch aber gibt sich Albig selbstbewusst: Der SPD-Spitzenkandidat betonte erst einmal seinen Führungsanspruch in dem norddeutschen Bundesland bekräftigt. "Wenn eine Mehrheit steht, ist es der Auftrag an mich, eine Regierung zu bilden", sagte der SPD-Politiker und steuert damit auf die "Dänen-Ampel" zu. Die Piratenpartei zeigt sich grundsätzlich offen für die Tolerierung der Dänen-Ampel. Spitzenkandidat Torge Schmidt sagte, darüber könnten SPD, Grüne und SSW "gern" mit den Piraten sprechen.  Albig schloss eine Tolerierung durch die Piraten nicht aus: "Wenn es denn so weit ist, werde ich mich vorstellen und wir werden miteinander reden." Zunächst versuche er jedoch, ein stabiles Bündnis mit den Grünen und dem SSW herzustellen.

Eine große Koalition könnte dagegen die Politik in Schleswig-Holstein befrieden. Jahrzehnte herrschte hier ein raues Klima: Die Barschel/Engholm-Affäre von 1987 wirkte nach, auch der noch immer unbekannte „Heide-Mörder“ aus der SPD-Fraktion, der die Ministerpräsidentin Heide Simonis bei der Abstimmung im Landtag scheitern ließ. 2012 scheint die Kehrtwende möglich.