Neumünster. . Auf dem Parteitag wird klar, dass die Piraten ein deutliches Zeichen gegen Rechts setzen müssen. Die Vorstandswahlen werden vom Streit beherrscht, wie die Partei mit Parteifreunden umgehen soll, die sich rechtsextrem äußern.

Viele Kilometer Kabel schlängeln sich auf den Tischen. Laptop reiht sich an Laptop. Jesuslatschenträger mit Kapuzenpulli stieren auf die Monitore und tippen, dazu Herren im Sakko, der Hutträger mit Augenklappe oder die Mutter, die ihrem Säugling gerade öffentlich die Brust gibt.

Ja, beim Bundesparteitag der Piraten ist vieles gewöhnungsbedürftig. Auch die Wortwahl. Einen „geilen Vorstand“ sollen sie wählen, fordert die scheidende Bundesgeschäftsführerin Marina Weisband die 1400 Mitglieder in der Holstenhalle von Neumünster auf.

Stunden später steht der neue Ober-Freibeuter fest. Schiebermütze, Schal und Stoppelbart, gestatten: Bernd Schlömer. Mit gut 66 Prozent haben die Piraten ihren bisherigen Vize-Vorstand zum Parteichef gewählt. Dessen Stellvertreter wird der bisherige Vorsitzende Sebastian Nerz.

Neben den Vorstandswahlen wollen die Piraten ihre Strukturen auf Vordermann bringen. Für Inhalte bleibt da so gut wie keine Zeit. Zumal der Parteitag zunächst von dem Streit beherrscht wird, wie die Partei mit Parteifreunden umgehen soll, die sich rechtsextrem äußern.

„Die Piraten grenzen sich nicht klar gegen rechts ab“, klagt Horst Bartels und demonstriert mit einem Plakat der Linkspartei: „Keine Stimme den Nazis“, steht darauf. „Du Kommunist“, ist eine der netteren Konter, die erboste Freibeuter Bartels entgegenpfeffern.

Hunderte flüchten aus dem Saal

Für den Eklat sorgt Vorstandskandidat Carsten Schulz. Der Niedersachse will die Leugnung des Holocaust legalisieren; er halte sie für eine Meinung wie jede andere, wiederholt er auch noch vor einem TV-Sender. Auf dem Parteitag wird klar, dass die Piraten ein deutliches Zeichen gegen Rechts setzen müssen. Sie unterbrechen die Vorstandswahl und beschließen ihren wohl wichtigsten Antrag. „Die Piratenpartei Deutschland erklärt, dass der Holocaust unbestreitbar Teil der Geschichte ist. Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren, widerspricht den Grundsätzen unserer Partei.“ Erleichtert stellt Versammlungsleiter Jan Leutert fest, dass es keine Gegenstimmen gibt. Schulz zieht seine Kandidatur zurück.

Als Dietmar Moews seine Kandidatur für den Vorstand begründen will, flüchten Hunderte aus dem Saal. Moews kritisiert im Internet das „Weltjudentum“. Er ist bei der Wahl chancenlos.

Das weitere „Kandidatengrillen“, also die Fragen der Basis an die Bewerber, ist da schon fast nebensächlich. Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass Schlömer gute Chancen auf den Vorsitz hat. Wenig später steht der 40-Jährige als Sieger fest. Er bleibt nun für ein Jahr im Amt. Einen Antrag, die Amtszeit auf zwei Jahre zu verlängern, lehnen die Piraten ab. Zu groß ist die Angst vor zu starren Strukturen. „Das würde weniger Demokratie bedeuten“, befürchtet die Mehrheit.

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Immerhin kann Schlömer die Verantwortung nun auf mehrere Schultern verteilen. Die Piraten beschließen, einen zweiten Vize-Vorsitzenden – dies wird Markus Barenhoff aus Münster – und einen weiteren Beisitzer zu wählen. Schatzmeisterin wird die gelernte Bankkauffrau Swanhild Goetze. Generalsekretär wird Sven Schomacker.

Zum Geschäftsführer wählen die Piraten Johannes Ponader. Der 35-jährige Schauspieler will dafür sorgen, dass nicht immer die gleichen Gesichter die Piraten vertreten. Ponaders zweites Ziel hätte wohl auch Vorgängerin Weisband nicht knackiger formulieren können: „Wir haben eine geile Vorstellung abzuliefern.“ Wie das gehen soll, weiß Ponader aber auch noch nicht so genau. Schließlich geht er „blank“ ins Amt.