Neumünster. Mit Bernd Schlömer haben sich die Piraten einen neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Doch das löst die Probleme der jungen Partei nicht. Noch immer kämpft sie gegen den Vorwurf, nicht genügend gegen rechtes Gedankengut in der Partei zu tun. Auf dem Parteitag gelang aber ein entscheidender Schritt.

Mit stehenden Ovationen feiern die 1400 Piraten Bernd Schlömer. „Wir werden viel erreichen“, ruft der 41-Jährige in den Saal und gibt wenig später zu Protokoll, dass er glücklich sei. Nicht umsonst. Auf ihrem Bundesparteitag in Neumünster haben die Piraten Schlömer unter zehn Kandidaten zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Der bisherige Vize-Chef löst damit Sebastian Nerz als obersten Piraten ab. Nerz selbst übernimmt einen der beiden Stellvertreter-Posten.

Doch auf dem Parteitag geht es nicht nur darum, einen „geilen Vorstand“ zu finden, wie die scheidende Bundesgeschäftsführerin Marina Weisband bei ihrer Abschiedsrede sagt. Nach dem wochenlangen Streit um dem Umgang mit rechtsextremen Äußerungen in der Partei setzen die Piraten zudem gleich mehrere Zeichen gegen rechts. Praktisch einstimmig verabschieden sie einen Sonderantrag gegen Holocaust-Gegner. „Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren widerspricht den Grundsätzen unserer Partei“, steht darin.

NRW-Spitzenkandidat Joachim Paul sieht "keinen Platz für braunes Gesocks" bei den Piraten

Mit dem kurzfristig eingereichten Antrag reagieren die Mitglieder auf den niedersächsischen Piraten Carsten Schulz. Dieser will das Leugnen des Holocausts legalisieren und hat seine umstrittenen Äußerungen am Mittag erneut vor einem Fernsehsender vorgetragen. Schließlich zieht Schulz seine Kandidatur für den Vorstand zurück, weil er im Vorfeld nicht genug Unterstützer findet.

Für braunes Gesocks ist in der Piratenpartei kein Platz“, sagt der NRW-Spitzenkandidat Joachim Paul gegenüber der WAZ Mediengruppe und formuliert damit das, was viele Piraten in Neumünster denken. Fluchtartig verlassen hunderte Parteimitglieder den Saal, als Dietmar Moews ans Rednerpult tritt, um seine Kandidatur für den Vorstand unter Buhrufen zu begründen. Der 60-Jährige hat im Vorfeld im Internet das „Weltjudentum“ kritisiert und ist bei der anschließenden Wahl chancenlos.

Der neue Piraten-Vorstand ist für ein Jahr gewählt

Mit Schlömer als neuem Parteichef setzen die Piraten auf einen bestenfalls moderaten Wechsel. Nerz war zuletzt in die Kritik geraten, weil er die Partei aus Sicht vieler nicht stark genug gegen rechts abgegrenzt hat und eine Regierungsbeteiligung der Piraten nicht ausschließen wollte. Bei der Wahl gegen den Schwaben Nerz mag Schlömer auch der Heimvorteil geholfen haben. Er stammt aus Norddeutschland und jeder anwesende Pirat hat auf dem Parteitag eine Stimme. Freilich sind die norddeutschen Landesverbände in Neumünster stärker vertreten als die süddeutschen.

So zeichnet sich bereits beim „Kandidatengrillen“, also den Fragen der Mitglieder durch die Vorstandkandidaten, ab, dass die Wahl auf Schlömer hinauslaufen könnte. Dieser wird nun für ein Jahr als Vorstand im Amt bleiben. Einen Antrag, die Amtszeit auf zwei Jahre zu verlängern, lehnen die Piraten vor der Vorstandwahl ab. „Das würde weniger Demokratie bedeuten“, kontert eine Gegnerin des Antrags. Zudem könnten sich die Strukturen schneller erneuern, wenn etwas falsch laufe. Doch das findet nicht ungeteilten Beifall. „Langfristig wäre die Amtsdauer von zwei Jahren sinnvoll“, findet der Berliner Abgeordnete Christopher Lauer. Wenig begeistert klingt auch NRW-Spitzenandidat Paul: „Damit müssen wir nun klarkommen.“ Immerhin wird Schlömer insofern entlastet, da die Piraten den Vorstand um einen Stellvertreter und einen Beisitzer vergrößern. Zudem lehnen sie die Trennung von Amt und Mandat ab.

Auch Schlömer hat als Piraten-Chef nur begrenzte Macht

Im Kampf gegen rechte Tendenzen in der Partei will Schlömer nun stärker mit den Mitgliedern ins Gespräch kommen. Ihm schwebt eine Art „gesprächsbasiertes Monitoring“ vor. Zudem will er versuchen, die programmatische Entwicklung der Piraten stärker nach außen hin zu verkaufen.

Zu viel Eigenständigkeit darf Schlömer dabei freilich nicht entwickeln. „Das Wichtigste ist, das der Vorstand die Macht bei der Basis lässt“, sagt Weisband gegenüber der WAZ Mediengruppe. Mehr Prokura – etwa um schnell Position zu aktuellen Themen beziehen zu können, lehnt die Vorzeigepiratin ab. „Das ist nicht Sache des Vorstands.“ Lauer sieht das etwas anders: „Ich wünsche mir, dass der Vorstand nicht mehr so oft sagt: Dazu haben wir keine Meinung.“