Kiew. Die Richter wollen den Prozess nicht ohne die Angeklagte weiterführen. Die ehemalige Ministerpräsidentin liegt derzeit wegen Bandscheibenproblemen im Krankenhaus. Deutsche Politiker fordern Sanktionen gegen die Regierung der Ukraine.

Im Prozess wegen Steuervergehen gegen die inhaftierte ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ist eine für Samstag angesetzte Verhandlung verschoben worden. Die Fortsetzung des Prozesses könne nicht in Abwesenheit der Politikerin erfolgen, begründete Richter Kostjantin Sadowski die Entscheidung. Der Prozess in der Stadt Charkiw im Osten der Ukraine, wo Timoschenko im Gefängnis sitzt, werde deshalb auf den 21. Mai verschoben. Vor dem Gericht demonstrierten rund tausend Anhänger Timoschenkos.

Das Verfahren wegen Veruntreuung und Steuerhinterziehung war am 19. April eröffnet worden. Wegen ihres schlechten Gesundheitszustands war Timoschenko auch zum Prozessauftakt nicht erschienen. In dem Verfahren geht es um ihre Zeit als Chefin des Staatskonzerns Vereinigte Energiesysteme der Ukraine. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll Timoschenko in den 1990er Jahren öffentliche Gelder veruntreut und Steuern hinterzogen haben. Ihr drohen bis zu zwölf Jahre Haft. Zudem soll Timoschenko dem Staat umgerechnet 1,8 Millionen Euro zurückzahlen.

Timoschenko, die an Bandscheibenproblemen leidet, verbüßt derzeit eine siebenjährige Haftstrafe. Sie war im vergangenen Oktober wegen Amtsmissbrauchs in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin bei einem 2009 getätigten Gasgeschäft mit Russland verurteilt worden. Die EU kritisiert die Inhaftierung Timoschenkos, die bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2010 gegen ihren Erzrivalen Viktor Janukowitsch unterlag, als politisch motiviert. Die Bundesregierung bietet eine medizinische Behandlung der Politikerin in Deutschland an.

Forderung nach Sanktionen gegen Regierung der Ukraine

Gleichzeitig fordern immer mehr deutsche Politiker Maßnahmen gegen die Ukraine wegen des Umgangs mit Timoschenko: Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte, Europa müsse dem Regime in der Ukraine jetzt entschlossen entgegentreten. Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl forderte nach der Absage des Ukraine-Besuchs von Bundespräsident Joachim Gauck weitere Gesten der Missbilligung durch deutsche Regierungsvertreter. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel fordert alle Politiker zum Boykott der Spiele der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine auf. "Politiker müssen aufpassen, dass sie nicht zu Claqueuren des Regimes werden", warnte SPD-Chef Gabriel in der Zeitung "Bild am Sonntag". In den Fußballstadien säße man womöglich neben Gefängnisdirektoren und Geheimpolizisten. Gabriel sieht wegen der politischen Verhältnisse in der Ukraine das Assoziierungsabkommen mit der EU in Gefahr: "Solange in der Ukraine Menschen aus politischen Gründen in Haft gehalten und misshandelt werden, kann es keinen normalen Umgang mit dem Land geben. Unter diesen Umständen kann auch das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht ratifiziert werden."

Der Unionsaußenexperte Philipp Mißfelder verknüpfe den Wunsch der Ukraine nach Annäherung an die EU mit dem Schicksal der Oppositionspolitikerin. "Der Umgang mit Frau Timoschenko wird Konsequenzen haben für den Umgang der EU mit Visa-Erleichterungen für Ukrainer", sagte der CDU-Politiker. "Mit ihrem Vorgehen entfernt sich die Ukraine derzeit immer weiter von Europa."

Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sieht angesichts dieses Konflikts das Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und der Ukraine gefährdet. "Wenn die ukrainische Regierung das Problem nicht schnellstens löst, gefährdet das das Abkommen mit der EU über wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit. Die EU ist eine Werte- und Rechtsgemeinschaft und erwartet von Ländern, mit denen wir solche Assoziierungsabkommen schließen, dass sie sich an diese Werte halten", sagte Schulz.

Eugenia Timoschenko lobt internationalen Druck auf Kiew

Nach Überzeugung von Eugenia Timoschenko wäre ihre Mutter ohne den internationalen Druck auf die Regierung in Kiew bereits tot. "Ich bin sicher, wenn der Druck aus Europa nicht wäre, wäre meine Mutter heute nicht mehr am Leben". Die Absage der Reise Gaucks in die Ukraine nannte Timoschenko "ein sehr starkes Signal der Unterstützung und Solidarität". Sie appellierte an andere europäische Spitzenpolitiker, es dem Bundespräsidenten gleich zu tun: Kein europäischer Staatsmann mit Selbstrespekt könne sich neben den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch stellen. "Er sollte boykottiert werden."? Eugenia Timoschenko sprach sich zugleich aber gegen eine Absage der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine aus.

Besorgt zeigte sich Timoschenko über den Gesundheitszustand ihrer inhaftierten Mutter. "Sie trinkt nur Wasser. Ihre Rückenschmerzen sind sehr viel schlimmer geworden, seitdem sie gegen ihren Willen mit Gewalt ins Krankenhaus gebracht wurde. Sie ist sehr schwach."