Berlin. . Die Bundesregierung erhöht den Druck auf den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch: Er soll die erkrankte Oppositionsführerin endlich ins Ausland lassen. Kanzlerin Merkel und Innenminister Friedrich spielen dabei bewusst mit dem Faktor Fußball-EM.

In Deutschland wächst die Sorge um die inhaftierte ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Ihr gesundheitlicher Zustand sei „bedrohlich“, die Ukraine solle sie zur Behandlung ausreisen lassen, sagte der Chef der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, am Freitag in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel erhöhte den Druck auf die Regierung in Kiew: „Timoschenko muss endlich die notwendige medizinische Behandlung erhalten“, sagte ihr Regierungssprecher Steffen Seibert.

Einhäupl bot eine Behandlung an der Charité an und appellierte in Berlin eindringlich an den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, Timoschenko die Ausreise zu erlauben: „Seien Sie ein den humanitären Werten verpflichteter Präsident.“ Timoschenkos Bandscheibenvorfall vom vergangenen Oktober sei chronisch geworden, ein Behandlungserfolg in der Ukraine sei zweifelhaft, zumal der Hungerstreik den gesundheitlichen Zustand der 51-Jährigen zusätzlich verschlechtere. Einhäupl hatte Timoschenko mehrfach untersucht, ein Medizinerteam der Charité wird in Kürze wieder in die Ukraine reisen.

Ein Boykott des Turniers? Vielleicht ein bisschen...

Die Bundesregierung machte am Freitag klar, dass sie den Fall Timoschenko mit großer Sorge verfolgt und Konsequenzen für die Fußball-EM prüft. Ein Boykott des Fußball-Turniers ist zwar noch nicht geplant, auch wirtschaftliche Sanktionen sind derzeit nicht ins Auge gefasst – doch Merkel droht bereits: Sie werde nur in die Ukraine reisen, wenn die Regierung in Kiew im Fall Timoschenko einlenkt. Derzeit gebe es gar keine aktuellen Reisepläne, stellte Merkel-Sprecher Seibert klar. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) plant zwar als Sportminister einen Besuch des Vorrunden-Spiels Deutschland gegen die Niederlande – doch will er dies mit einem Besuch Timoschenkos verbinden, sollte sie bis dahin noch in Haft sitzen, bekräftigte Friedrichs Sprecher. Andernfalls zieht der Minister auch einen Boykott der EM in Betracht. Im Bundestag ist die Stimmung noch eindeutiger:

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), sagte, sollte sich die Lage Timoschenkos nicht verbessern, müsse sich jeder Spitzenpolitiker überlegen, ob er eine Einladung annehme und „damit so tut als wäre nichts.“

Regierungssprecher Seibert zweifelt am Wertebewusstsein der Ukraine

Die Bundesregierung macht inzwischen aber auch klar, dass eine Ausreise Timoschenkos allein die Lage nicht verbessere: „Das Thema geht weit über den Fall hinaus“, heißt es im Auswärtigen Amt mit Blick auf weitere zu Haftstrafen verurteilte Ex-Regierungsmitglieder. Die Regierung erwarte, dass es in der Ukraine „glaubwürdige Schritte in Richtung Rechtsstaat“ gebe. Regierungssprecher Seibert sagte warnend: „Die Ukraine muss wissen: Europa ist eine Wertegemeinschaft. Eine Annäherung kann es nur geben, wenn man sich zu den Werten bekennt und sie umsetzt.“