Berlin. . Der Protest von Bundespräsident Gauck gegen die Ukraine hat in der Politik in Deutschland Zustimmung ausgelöst. Gauck hatte eine Reise zu einem Treffen von Staatsoberhäuptern in der Ukraine am Dienstag abgesagt. Außenminister Westerwelle nennt es eine “richtige Entscheidung“, Grünen-Chef Özdemir ein “sehr starkes Signal“.

Außenminister Guido Westerwelle unterstützt den Verzicht von Bundespräsident Joachim Gauck auf eine Reise in die Ukraine. Gauck habe eine "richtige Entscheidung" getroffen, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag am Rande seiner Südostasienreise in Brunei. Hintergrund der Absage ist der Umgang der ukrainischen Regierung mit der inhaftierten und offenbar kranken Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Sie soll sich im Hungerstreik befinden und gewaltsam in ein Krankenhaus verlegt worden sein.

Im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Oppositionspolitikern hatte sich Gauck entschieden, nicht zu einem für Mitte Mai geplanten Treffen mitteleuropäischer Staatsoberhäupter in die Ukraine zu reisen. Die Entscheidung, die "im Benehmen mit der Bundesregierung" getroffen worden sei, sei dem ukrainischen Geschäftsträger in Berlin mitgeteilt worden, sagte ein Sprecher des Bundespräsidenten in Berlin. Er bestätigte damit einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Ob Gauck zur Fußball-EM in die Ukraine reise, sei "vollkommen offen", sagte der Sprecher weiter.

Angebot an die Ukraine wegen Timoschenko

Westerwelle sagte, das Außenamt stehe in engem Kontakt und Austausch mit dem Bundespräsidenten. Nicht nur das Staatsoberhaupt, sondern auch die Bundesregierung, der Bundestag und andere offizielle Stellen seien der Überzeugung, dass Timoschenko eine angemessene medizinische Behandlung bekommen müsse.

Der Minister betonte, er habe der ukrainischen Regierung noch einmal das Angebot gemacht, dass Timoschenko in Deutschland behandelt werde. Es gehe aber nicht nur um die Oppositionsführerin, sondern auch um andere Häftlinge, die erkrankt seien. "Auch für sie muss eine ordentlich medizinische Betreuung möglich werden."

An die Adresse der ukrainischen Regierung sagte Westerwelle: "Wer sich in Richtung Europäische Union bewegen will, muss wissen, dass wir eine Wertegemeinschaft sind, die vor allen Dingen auch auf Rechtsstaatlichkeit setzt." Eine politisch instrumentalisierte Justiz sei mit europäischen Prinzipien nicht vereinbar. Das sei auch wichtig bei den Gesprächen zwischen der EU und der Ukraine über das geplante Assoziierungsabkommen.

Parteiübergreifende Unterstützung für Gauck

Beide Seiten hatten mehrere Jahre über das Abkommen verhandelt, inzwischen sind die Gespräche abgeschlossen. Die Unterzeichnung und Ratifizierung stehen aber noch aus. Für die EU ist das ein wichtiges Druckmittel im Fall Timoschenko. Auf die Frage, ob Politiker auf einen Besuch bei der anstehenden Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine verzichten sollten, antwortete Westerwelle ausweichend. Er sagte lediglich, die Bundesregierung unterstütze keine Boykottaufrufe zur EM.

Die Entscheidung von Bundespräsident Joachim Gauck gegen eine Reise in die Ukraine ist parteiübergreifend auf Zustimmung gestoßen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), sprach am Donnerstag von einem "sehr klaren Signal, das Herr Gauck dort aussendet". Es sei "nicht akzeptabel", dass Oppositionsführerin Julia Timoschenko und andere Regierungsgegner auf Grundlage von "Schauprozessen" in Haft genommen würden, sagte Löning dem Sender ntv.

Auch der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich stellte sich hinter Gaucks Entscheidung. "Ich halte das für richtig", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion in Berlin. Es sei "ein wichtiges Signal" auch an andere Länder. Mützenichs Unionskollege Philipp Mißfelder nannte Gaucks Schritt "konsequent". Die Ukraine "schadet sich mit ihrem Verhalten selber, wenn sie Gefangene so schlecht behandelt", sagte der CDU-Abgeordnete "Spiegel Online".

Grünen-Chef Özdemir nennt Gauck-Protest ein "sehr starkes Signal"

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir lobt die Absage einer Reise des Bundespräsidenten in die Ukraine. Er könne Joachim Gaucks Entscheidung gut nachvollziehen, sagte Özdemir am Donnerstag in Berlin. Der Bundespräsident setze damit ein "sehr starkes Signal" und mache "eine klare Ansage". Die Ukraine müsse sich zu den Prinzipien Europas bekennen. Dazu gehöre, auch Menschen im Gefängnis menschenwürdig zu behandeln, sagte Özdemir mit Blick auf die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Der Grünen-Chef zeigte sich überzeugt, dass Gaucks Signal in der Ukraine verstanden werde. Die Absage der Reise stehe stellvertretend für "große Zweifel" in ganz Europa am Vorgehen der Führung in Kiew.

Aus Protest gegen die Haftbedingungen der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko hat auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke erklärt, er werde eine Reise in die Ukraine boykottiert: Bei der Fußball-EM wolle Watzke nur Spiele in Polen, nicht aber im Mit-Ausrichter Ukraine ansehen.

Timoschenko war im Oktober wegen Amtsmissbrauchs in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Grund war ein im Jahr 2009 mit Russland geschlossenes Gasgeschäft, das der Ukraine einen Schaden in Millionenhöhe beschert haben soll. Am vergangenen Freitag trat Timoschenko aus Protest gegen ihre Haftbedingungen in einen Hungerstreik. (afp/dapd)