Essen. Mit dem Verbot der Aachener Bandidos dürfte der Innenminister ins Herz der Rockergruppen treffen. Symbole sind für sie wichtig, um ihre Gebietsanprüche zu behaupten. Der angebliche Frieden zwischen den rivalisierenden Gruppen war in den letzten Monaten immer brüchiger geworden.
22. Januar 2012. Es ist eine Samstagnacht. Zwischen dem Alten Markt in Mönchengladbach und der Waldhausener Straße gehen 50 Bandidos auf 20 Hells Angels los. Man holt Eisenstangen und Messer. Es fließt Blut bei der brutalen Prügelei. Vier Rocker müssen ins Krankenhaus, einer von ihnen mit einem lebensgefährlichen Leberdurchstich.
Als sechs Stunden später in Herten im Kreis Recklinghausen eine Handgranate das Vereinsheim der Bandidos „La casa de los locos“ zerlegt, weiß die NRW-Polizei: Der zwei Jahre alte „Friedensschluss“ von Hannover mit der vor einem Notar gemachten Zusage, nicht im Revier der anderen zu wildern, ist hinfällig. Der Krieg unter den Rockern ist erklärt. Der Staat muss klar machen, dass er keine rechtsfreien Räume zulässt.
Harter Schlag für harte Rocker
Drei Monate und mehrere Durchsuchungen später: Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat die Aktion von 600 Einsatzkräften in Aachen und an 29 weiteren Orten am Donnerstag früh an das erste Verbot einer Rockergruppe seit zehn Jahren gekoppelt. Jedes einzelne Mitglied der Bande, erklärt ein Polizist, sei persönlich informiert worden, dass sein Club nicht mehr bestehe. Ein harter Schlag für harte Rocker. Denn Verbote sind vielleicht das wirksamste Mittel gegen diese Art von Kriminalität. „Ein Verbot erschwert entscheidend die Durchsetzung der eigenen regionalen Ansprüche“, sagt Thomas Jungbluth vom Landeskriminalamt (LKA). „Symbole haben für sie eine große Bedeutung. Ein Verbot des Symbols nimmt den Trägern einen wesentlichen Teil der öffentlichen Identität“.
Neugründungen bei beiden Gruppen
Jungbluth ist Chef der Abteilung Organisierte Kriminalität. Er beobachtet seit Monaten die Zuspitzung im Konflikt zwischen Banditen und Höllenengeln. Bandidos sind im Ruhrgebiet alleine an 14 von landesweit 25 Orten präsent, in Bochum, Herne und Dortmund sogar mit je zwei „Chaptern“. Hells Angels haben im Rheinland neun Standorte. „Ab Mai 2011 haben wir vier Neugründungen bei den Hells Angels, sieben bei den Bandidos registriert“. Das bedeutet territoriale Machtkämpfe. „Damit ist das Konfliktpotenzial deutlich angestiegen“.
Getarnt als Freizeitvereinigung
Wer oder was sind Rocker? Wie viel gibt es? Wie gefährlich sind sie? 900 sind landesweit als Mitglieder bekannt – 400 Bandidos, 250 Hells Angels, rund 250 bei den Gruppen „Gremium“ und „Outlaws“. Sie geben sich gerne als Freizeitvereinigung, dazu als eine, die durchaus auch mit der Polizei zusammenarbeite wie mal in Bochum, wo Bandido Bazi Bösmann seinen 50. Geburtstag feierte und versichert hatte: „Wir verhalten uns anständig“. Die Polizei sperrte die Feier-Disco großräumig für Zugangskontrollen ab und legte eine Straßenbahnhaltestelle still. Es blieb ruhig.
Nicht Folklore, sondern Parallelgesellschaft
Bei Rockern geht es meist nicht um Folklore, sondern um Parallelgesellschaften, die das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennen. Zum einen, so sagt Jungbluth: „Rocker schotten sich gegenüber Strafverfolgungsbehörden ab. Auch nach schweren Verletzungen erfolgen keine Hinweise, die zur Ermittlung der Täter führen“. Aussteiger gebe es auch nicht, denn die hätten „Repressalien“ zu fürchten. Zum zweiten: „Wir stellen auch hier Indikatoren fest wie im Bereich der Organisierten Kriminalität: Abschottung, Hierarchie, Anwendung von Gewalt, Kontrolle milieutypischer Geschäftszweige“. In Duisburg, wo beide Banden unterwegs sind, geht es um Waffenhandel. In Essen sind Drogen im Spiel, in Dortmund Menschenhandel.
Und in Aachen? Mord? Ungeklärt ist der Tod des Augenarztes Udo Schmidt im Jahr 2010. Seine Leiche wurde brutal zugerichtet gefunden. Er trug das Symbol der Banditen.