Berlin. . Mit ihrer Demografiestrategie, die die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen hat, versucht sie, die Herausforderungen durch die alternde Gesellschaft in sechs Bereichen zu meistern. Ein Überblick.

In Deutschland gibt es immer weniger Bürger. Heute leben noch 81,7 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, doch 2060 könnten es nur noch 65 bis 70 Millionen Menschen sein. Die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. Diese werden – wie die Bevölkerung insgesamt – immer älter. All das könnte den Wohlstand Deutschlands gefährden. Mit ihrer Demografiestrategie, die die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen hat, versucht sie, die Herausforderungen durch die alternde Gesellschaft in sechs Bereichen zu meistern.

Familie stärken: Hierzulande liegt die Geburtenrate bei 1,4 bis 1,5 Kindern, in Frankreich bei zwei Kindern. Rund 1,2 Millionen Mütter würden gerne arbeiten, wenn man Familie und Beruf unter einen Hut bekommen könnte. Die Regierung will nun Eltern im Kinderwunsch stärken, für eine bessere Vereinbarkeit von Job und Kind sorgen, flexiblere Arbeitszeitmodelle fördern und den Wiedereinstieg von Frauen ins Arbeitsleben erleichtern: Vorgesehen ist die Weiterentwicklung der Eltern- und Ausweitung der Großelternzeit. Schwarz-Gelb bekennt sich zum Ausbau der Betreuungsplätze für Unter-Drei-Jährige. Vom Zankapfel Betreuungsgeld ist im Bericht keine Rede. Die Regierung möchte die Adoptionsbedingungen verbessern und Familien durch haushaltsnahe Dienstleistungen unterstützen. Dazu soll es 2012 ein Eckpunktepapier geben.

Gesund arbeiten: Die Arbeitnehmer werden älter. Heute sind die 45- bis 50 Jährigen die stärkste Altersgruppe, 2030 werden es die 60- bis 64-Jährigen sein. Es geht also darum, deren Produktivität und Gesundheit zu erhalten. Die Regierung will eine Präventionsstrategie mit Schwerpunkt betriebliche Gesundheitsförderung auf den Weg bringen. Darin will sie die Krankenkassen anhalten, verstärkt Gesundheitsprojekte mit Unternehmen zu entwickeln. Allianzen mit den Ländern und Sozialpartnern zur Weiterbildung sollen das lebenslange Lernen fördern. Die Zuschussrente soll Menschen, die wenig verdienen, im Alter besserstellen. Mit der Kombirente will Schwarz-Gelb Rente und Arbeit leichter verbinden. Weitere Punkte sind die Förderung altersgerechter Jobs, eine längere Lebensarbeitszeit und ein stärkerer Arbeitsschutz der Beschäftigten.

Selbstbestimmtes Leben im Alter: Frauen, die heute 65 sind, leben im Schnitt noch 21 Jahre. Bei Männern sind es 17 Jahre. Deren selbstbestimmtes Leben gilt es im Alter zu erhalten. Die Regierung will 2012 die Eckpunkte für das Konzept „Selbstbestimmtes Altern“ entwickeln. Es soll alternsgerechte Wohnformen fördern. Die geplante gesundheitliche Präventionsstrategie soll vor allem ältere Menschen ansprechen und das gesunde Altern unterstützen. Dennoch wird die Zahl der Pflegebedürftigen, vor allem der Demenzkranken steigen – von 2,42 Millionen auf voraussichtlich 3,37 Millionen im Jahr 2030. Eine Hauptaufgabe ist es, die Pflegeversicherung für die Zukunft fit zu machen Doch nach wie vor fehlt ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff. Offen ist auch, wie der Staat die private Pflegezusatzversicherung am Ende fördern wird.

Leben auf dem Land: Immer mehr Bürger ziehen vom Land in die Stadt. In manchen ländlichen Regionen Ostdeutschlands werden 2030 mehr als 20 Prozent weniger Menschen wohnen als heute. Ziel ist es, dort die Infrastruktur zu erhalten und die Landflucht zu verringern. Das bereits beschlossene „Landarztgesetz“ soll Mediziner aufs Dorf locken. Die Regierung setzt auf den flächendeckenden Ausbau mit schnellen Internetanschlüssen bis 2018. Weiter will Schwarz-Gelb den Erhalt des öffentlichen Personennahverkehrs fördern.

Wachstum und Wohlstand sichern: Schon heute leidet Deutschland unter einem Fachkräftemangel. Bis 2030 wird es sechs Millionen Erwerbstätige weniger geben als heute. Zur Sicherung des Wohlstandes ist es also wichtig, die Bürger ab frühester Kindheit bestmöglich auszubilden und später ihre Arbeitspotenziale zu nutzen. Dazu will die Regierung mit den Ländern eine Initiative zur Sprach- und Leseförderung für Kita-Kinder erarbeiten. Längst beschlossen sind Bildungspaket und Deutschlandstipendium. Die Hochqualifizierten-Richtlinie, die am Freitag im Bundestag ist, soll die Zuwanderung gut qualifizierter ausländischer Fachkräfte verbessern. Ein weiterer Baustein ist eine neue Willkommenskultur.

Staat handlungsfähig halten: Die alternde Gesellschaft und deren Folgen kosten den Staat Abermilliarden. Schon heute fließen rund 27 Prozent des Bundeshaushalts in Renten und 14 Prozent in die Krankenversicherung. Um künftig handlungsfähig zu bleiben, setzt der Staat vor allem auf die Einhaltung der Schuldenbremse und die Haushaltskonsolidierung. Zudem möchte die Regierung die öffentliche Verwaltung des Bunds modernisieren und die Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst weiter flexibilisieren.

Der weitere Fahrplan: Auf einem Demografiegipfel im Herbst will die Bundesregierung für alle sechs Themengebiete Arbeitsgruppen einsetzen. Sie sollen Projekte und Gesetze erarbeiten. Je ein Ministerium ist hier federführend. Ein Resümee soll im Herbst 2013 folgen.