Moskau. . Seit Freitagabend ist Julia Timoschenko im Hungerstreik. Die inhaftierte frühere Regierungschefin der Ukraine protestiert damit gegen Misshandlungen im Gefängnis, erklärte ihr Anwalt. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich besorgt um den Gesundheitszustand Timoschenkos.

Der Fall der früheren ukrainischen Regierungs­chefin Julia Timoschenko wird immer bizarrer – und die ­Umstände ihrer Inhaftierung stoßen im Ausland auf wachsende Kritik.

Die 51-Jährige sitzt derzeit eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs ­ab. Seit Freitagabend verweigert sie die Nahrungsaufnahme aus Protest. Als Grund gibt sie an, von Wärtern der Charkower Strafanstalt misshandelt worden zu sein.

„Ich erhielt einen heftigen Schlag in den Magen, sie verdrehten mir Arme und Beine, zerrten mich in der Bettdecke nach draußen. Ich dachte meine letzte Stunde ­habe geschlagen“, heißt es in einer Erklärung Timoschenkos, die ihr Anwalt Sergei Wlasenko veröffentlichte. Die Behörden bestreiten den Vorfall.

Der Hungerstreik ist der jüngste Höhepunkt in einem Kleinkrieg, den sich Timoschenko seit Monaten mit der ukrainischen Justiz liefert. ­Timoschenko war eine der Leitfiguren der sogenannten Orangenen Revolution von 2004, die damals eine Machtübernahme durch Viktor Janukovich verhinderte. Sie war danach Ministerpräsidentin.

Verloren gegen den alten Intimfeind

2010 verlor sie knapp die ­Präsidentenwahl – gegen ihren Intimfeind Janukovich. Den heutigen Präsidenten ­sehen viele denn auch als ­Hintermann des Vorgehens der Justiz gegen Timoschenko.

Die inhaftierte Timoschenko hatte bereits seit Monaten über massive Rückenschmerzen geklagt und verlangt, von ausländischen Medizinern untersucht zu werden. Daraufhin wurde sie im Februar in ihrer Zelle von zwei Medizinern der Berliner Charité eingehend begutachtet.

Die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass Timoschenko außerhalb der Haftanstalt ­behandelt werden müsse. Eine Verlegung nach Berlin lehnten die ukrainischen Behörden aber ab. Oppositionsabgeordnete halten aus Solidarität mit Timoschenko seit Dienstag das Parlament in Kiew besetzt.

Video mit blonder Frau in einer Zelle

Der Vize-Chef des Staat­lichen Strafvollzugsdienstes, Sergej Sidorenko, erklärte gestern ein Skandalvideo für echt, das im Internet aufgetaucht war. Es zeigt eine blonde Frau, die Timoschenko ähnelt, in einer Zelle. Sie schaut in den Spiegel, zieht sich Stöckelschuhe an, dann springt sie unter die Bettdecke, offenbar um sich krank zu stellen.

Dann ist sie im Gespräch mit einem Mann zu sehen, der an ihren Verteidiger Wlasenko erinnert und den sie küsst. Tatsächlich aber sind die Bilder viel zu ­unscharf, um beide zu identifizieren. Wlasenko nannte das Video eine Fälschung.

Gegen Timoschenko läuft bereits ein neuer Prozess ­wegen Steuerhinterziehung. Außerdem soll sie mehrere Morde in Auftrag gegeben ­haben. „Aber je heftiger sie ­beschuldigt wird, umso mehr Ukrainer glauben, dass sie eine politische Gefangene ist“, sagt die Kiewer Politologin ­Uljana Kirijenko. „Das steigert nur die Popularität der Opposition vor den Wahlen im ­Oktober.“