Berlin. Regierung und Opposition haben sich im Streit um das Steuerabkommen mit der Schweiz hart kritisiert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warf der SPD “Polemik“ vor. Die SPD droht damit, den Vertrag im Bundesrat durchfallen zu lassen.
Das umstrittene Steuerabkommen mit der Schweiz droht trotz erheblicher Nachbesserungen am Nein der SPD-regierten Bundesländer zu scheitern. Kurz nachdem sich die deutsche und die Schweizer Regierung in Bern auf Verschärfungen zu Lasten der deutschen Steuersünder verständigt hatten, kündigte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Donnerstag eine Ablehnung des Abkommens im Bundesrat durch die SPD-regierten Bundesländer an. Dabei hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble von einer "ausgewogenen Lösung" des langjährigen Steuerstreits zwischen den beiden Ländern gesprochen.
Ein hoher Regierungsvertreter äußerte die Hoffnung, die Nachbesserungen würden die Kritiker unter den Bundesländern zum Einlenken bewegen. Doch Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) widersprach solchen Erwartungen.
Regierung braucht Stimmen von SPD und Grünen im Bundesrat
Mit dem jetzt unterzeichneten Änderungsprotokoll versuchen die deutsche und die Schweizer Regierung das im August 2011 geschlossene Steuerabkommen angesichts der heftigen Kritik von SPD und Grünen zu retten. Die Vereinbarung soll die Schweiz für deutsche Steuerflüchtlinge unattraktiver machen und hohe Nachversteuerungen für Schwarzgelder ermöglichen. In Deutschland muss das Abkommen allerdings grünes Licht vom Bundesrat bekommen. Ohne Stimmen der SPD- und Grünen-regierten Länder ist eine Mehrheit in der Länderkammer nicht zu erreichen.
Da über das Thema erst nach der Sommerpause im Bundesrat abgestimmt werden dürfte - also nach den Wahlkämpfen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein - geben maßgebliche Koalitionsvertreter das Abkommen noch nicht verloren. "Ich denke, dass das, was jetzt an Änderungen kommt, die Chancen auf jeden Fall verbessern, weil das ja den Forderungen der SPD-Länder Rechnung trägt", sagte ein hoher Regierungsvertreter.
SPD-Chef Sigmar Gabriel kündigt Veto gegen Steuerpakt an
Dem widersprach SPD-Chef Gabriel. "Es wird zum zweiten Mal scheitern, weil die SPD-geführten Länder da nicht mitmachen werden", kündigte er an. Und sein Parteikollege und Finanzminister aus Düsseldorf Walter-Borjans ergänzte: "So kann es eigentlich nur den Weg gehen, dass die Mehrheit der Länder da eine entschiedenes Nein sagt."
Bundesumweltminister Norbert Röttgen hat die SPD aufgefordert, ihren Widerstand gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz aufzugeben. Es sei verantwortungslos, den steuerrechtlichen Dauerkonflikt zwischen Deutschland und der Schweiz weiter zu befeuern, sagte der nordrhein-westfälische CDU-Spitzenkandidat der Zeitung "Die Welt" (Samstagausgabe) laut Vorabbericht. "Kein Abkommen mit der Schweiz ist die schlechteste aller Lösungen", sagte er. Röttgen nannte es einen schweren politischen Fehler, dass die SPD-Ministerpräsidenten die Unterzeichnung verweigerten. Allein in Nordrhein-Westfalen brächte das Abkommen drei Milliarden Euro ein.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat der der Opposition vorgeworfen, das Steuerabkommen mit der Schweiz zu blockieren. Die Haltung der Opposition sei "billige Polemik", sagte Schäuble am Donnerstagabend im ARD-Fernsehen. "Wir brauchen natürlich die Zustimmung des Bundesrats. Aber wenn man sich das Abkommen in Ruhe anschaut, und wenn man einmal diese etwas billige Polemik beiseite schiebt, dann ist für die Zukunft sichergestellt, dass Kapitalanlagen in der Schweiz genauso steuerlich behandelt werden wie in Deutschland", sagte Schäuble in dem vorab veröffentlichten "Tagesthemen"-Interview.
Wer Schwarzgeld rechtzeitig abzieht, hat nichts zu befürchten
Mit Inkraftreten des Abkommens sei "die Rechtslage dann so, dass alle Anlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz genauso steuerlich vollständig erfasst werden wie in Deutschland", sagte Schäuble. Vertreter Deutschlands und der Schweiz hatten zuvor in Bern ein Ergänzungsprotokoll zum bereits 2011 vereinbarten Steuerabkommen unterzeichnet. Das Zusatzprotokoll sieht vor, dass die kompletten Guthaben deutscher Steuerhinterzieher in der Schweiz zum 1. Januar 2013 einmalig mit 21 bis 41 Prozent besteuert werden.
Wer sein Schwarzgeld allerdings vor diesem Stichtag aus der Schweiz abzieht, hat die Aussicht, sich der Besteuerung weiter zu entziehen. Bislang hatte das Abkommen eine pauschale Abgabe von 19 bis 34 Prozent vorgesehen. Zudem garantiert das Abkommen den Steuersündern weiterhin Anonymität. Die SPD sprach von einem "Persilschein" zur Steuerhinterziehung, dem sie nicht zustimmen werde.
Durch das Änderungsprotokoll soll auf vererbtes Schwarzgeld der Maximalsatz der deutschen Erbschaftssteuer von 50 Prozent erhoben werden. Auf schon länger im Nachbarland deponiertes Schwarzgeld soll einmalig eine pauschale Abgeltungssteuer zwischen 21 und 41 Prozent erhoben werden - bislang war von 19 bis 34 Prozent die Rede. Zudem soll der Steuerflüchtling nicht mehr, wie bisher vorgesehen, nach Inkraftreten der Vereinbarung einige Monate Zeit erhalten, sein Geld in einen Drittstaat zu verlagern. Vielmehr soll mit Inkraftreten des Abkommens zum 1. Januar 2013 gelten: Verlagerungen von Vermögen von der Schweiz in Drittländer werden den deutschen Behörden gemeldet. Für eine rückwirkende Regelung, wie sie SPD und Grüne fordern, war die Schweizer Seite aber nicht zu haben.
Scheitert der Pakt, gehen dem Bund Milliarden verloren
Schließlich besserten beide Parteien beim Thema Missbrauch und bei der Zahl der den deutschen Steuerbehörden künftig erlaubten Auskunftsersuchen in der Schweiz nach. Der Ankauf von CDs mit Daten deutscher Steuersünder wird zwar nicht verboten, aber soll von deutscher Seite nicht mehr aktiv betrieben werden, hieß es. Insgesamt rechnen die deutschen Behörden mit Einnahmen aus der Pauschalabgeltung für Altfälle oberhalb von zehn Milliarden Euro. Den größeren Teil davon sollen die Bundesländer erhalten.
Kommt es, wie die SPD andeutet, zu keiner Lösung mit den SPD- und Grünen-geführten Ländern, bleibt es bei der jetzigen Situation, hieß es im Bundesfinanzministerium. Dann werden Bund und Länder Milliardensummen aus der Abgeltung von Altfällen verloren gehen, wobei die Verjährung von zehn Jahren dafür sorgen dürfte, dass Jahr für Jahr große Vermögensbeträge aus der Nachversteuerung ganz herausfallen.
Schweizer Bänker finden das Abkommen gut
Der Schweizer Bankenverband begrüßte das Abkommen. Die Schweiz sei den Forderungen der deutschen Seite weit entgegengekommen. "An die Adresse der deutschen Opposition" erklärte die Schweizerische Bankiervereinigung, die Schweizer Banken würden keine weiteren Anpassungen unterstützen. Wichtig sei, dass die Anonymität der deutschen Bankkunden gewahrt bleibe und der Marktzugang nach Deutschland für Schweizer Banken erleichtert werde.
Auch der deutsche Genossenschaftsbanken-Verband BVR bewertete das Abkommen positiv. Es erlaube die Besteuerung der in der Schweiz angelegten Vermögenswerte und wahre gleichzeitig die Privatsphäre der Anleger. (dapd/rtr)