Berlin. . Die Netzpolitiker der Union gehen in die Offensive. Mit dem neu gegründeten „CNetz“ wollen sie den Piraten Konkurrenz machen. Sie verstehen sich als „bürgerlichen Beitrag“ für das Internet. Den ersten Shitstorm bei Twitter haben die Pioniere schon hinter sich.

Der Erfolg der „Piraten“ lässt die Konkurrenz nicht ruhen. Die Netzpolitiker von CDU und CSU sammeln sich. Kürzlich schlossen sie sich zum „CNetz“ zusammen. Bisher werde die Debatte „links geprägt“. Nun kommt der „bürgerliche Beitrag“, wie „CNetz“-Sprecher Peter Tauber gegenüber DerWesten erklärte. Die CDU begrüßte die Initiative. Sie sei eine „gute Ergänzung“ zu den netzpolitischen Aktivitäten der Partei, sagte CDU-Sprecher Philipp Wachholz.

Einiges wirkt improvisiert, schon rein technisch. Die „Tools“ sind nicht fertig entwickelt und der Vorstand ihres Vereins nicht komplett. Wie die „Piratenpartei“ soll sich der Verein von unten aus der Basis, aus dem Netz heraus entwickeln. Binnen zwei Wochen hat der 37-jährige Abgeordnete mit anderen zusammen „CNetz“ aufgebaut und letzten Freitag gegründet.

Den ersten „Shitstorm“ bei Twitter hat er hinter sich. „War zu erwarten“, bemerkt er lapidar. Als Tauber heute von einem Termin zurückkam, war der CDU-Mann schier überwältigt vom Zuspruch. Viele wollen mitmachen, zwei von der „Piratenpartei“ hatten gratuliert, ebenso der SPD-Parlamentarier Lars Klingbeil. Die Netzpolitiker der SPD haben mit „D64“ freilich seit langem auch eine Plattform.

„Das Netz kann mehr als nur Wahlkampf“

„Da gibt es einen Bedarf“, stellt Tauber fest. 60 Mitglieder hat der Gründungsverein, darunter so Prominente wie Dorothee Bär und Dagmar Wöhrl (beide CSU), oder Peter Altmaier. Der Unions-Fraktionsmanager ist zwar kein Nerd, im Grunde ein Anfänger, aber im Netz und bei sozialen Netzwerken tummelt er sich seitdem mit dem Eifer eines Konvertiten.

Sein Erweckungserlebnis war die Berlin-Wahl, genauer: der Erfolg der Piratenpartei im September letzten Jahres. Altmaier war bei „Anne Will“ eingeladen. Auf der Fahrt zur Talkshow schaute er sich das Wahlprogramm der Sensationspartei an. Er war baff. Das Papier war besser als alle meinten, und Altmaiers Neugierde war im Nu geweckt.

Wenige Wochen später schrieb er einen Aufsatz, der in der CDU für Aufsehen sorgte. Titel: „Mein neues Leben unter Piraten.“ Erste Erkenntnis: „Das Netz kann mehr als nur Wahlkampf.“ Zweite Botschaft an die eigene Partei: Längst beeinflussen die Internet-Aktivisten die Politik.

„CNetz“ fordert ein „positives Verständnis der digitalen Welt“

Das hatte er am eigenen Leib erfahren. Als Staatssekretär im Innenministerium hatte er sich gemeinsam mit der damaligen Familienministerien Ursula von der Leyen für eine Sperrung aller Kinderpornographie-Seiten im Internet ausgesprochen. Fortan hieß die CDU-Frau „Zensursula“. Die beliebteste Ministerin war völlig konsterniert. Bis heute sind die Seiten nicht gesperrt. Das war bloß das erste Beispiel für die Macht des Netzes. Dass Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Vorratsdatenspeicherung blockiert, erklärt sich Altmaier damit, dass der Proteste der Netzaktivisten auf die FDP und ihre Ministerin Eindruck machen.

Genau da setzt „CNetz“ an. In der Gründungserklärung wendet man sich gegen die „Empörungs- und Verhinderungskultur“ und fordert ein positives Verständnis der digitalen Welt. „CNetz“ will die Debatten beeinflussen, aber vielleicht noch mehr nach innen wirken - in die CDU hinein?

Es vergehe kaum eine Woche, erzählt Tauber, in der nicht andere Abgeordnete auf ihn zugingen und fragten, „sag mal, wie komme ich bei Facebook rein, wie twittere ich“. Die CDU-Führung im Konrad-Adenauer-Haus sieht es nicht ungern, wenn auch Nicht-Mitglieder der Union mitmischen. Bisher kennt die Partei einen Arbeitskreis „Netzpolitik“, und einmal im Jahr setzt man sich mit der „Media Night“ in Szene. Das war es.

Peter Altmaier ist der Piraten-Erklärer der Union

Insgeheim waren sie sich nicht sicher, wie ernst sie „Social Media“ oder etwa die „Piraten“ nehmen sollten. Wenn deren Vorsitzender Sebastian Nerz zu einer Podiumsdiskussion kam, wurde er oft von den anderen Politikern belächelt. Oft genug haben sie ihn ungefragt geduzt. Bei Politikern anderer Parteien hätten sie sich extra nach der Anrede erkundigt. Einerseits.

Andererseits machen „Piraten“ neugierig. Der unermüdliche Altmaier lud Nerz und andere zum Kaffee in seinem Büro ein und gab mit der Piratin Marina Weisband und der Bloggerin Julia Schramm Interviews. Intern gilt Altmaier als eine Art Piraten-Erklärer und wird deswegen auch als Redner angefordert.

Das „CNetz“ ist der nächste Schritt. Gut möglich, dass die Netzpolitiker der Union eines Tages direkt Einfluss auf die Positionen der Partei nehmen. Wie schnell das gehen kann, zeigt der Ablauf des letzten SPD-Parteitags. Im Vorfeld hatten die Aktivisten mobil gemacht gegen die Vorratsdatenspeicherung; die ursprünglich gar von einer SPD-Justizministerin vorangetrieben worden war. Nur mühsam konnte die Partei nun eine Kurskorrektur verhindern: Ein Antrag wurde an die Fraktion überwiesen.

„Netzpolitik eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“

Da hat „CNetz“, zugegeben, noch einen längeren Weg vor sich. Tauber und Co kommen nach ihren Worten „aus allen Bereichen der Gesellschaft“. Sie eint die Überzeugung, dass die Netzpolitik eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist - gesellschaftlich wie ökonomisch.“

Allein durch die Anwesenheit seiner Partei, analysiert ein Vorstandsmitglied der „Piraten“ verändere sich die Politik der Anderen. Die Alternative ist ihnen allzu bewusst: Entweder werden die Parteien webfähig oder „Piraten“ regierungsfähig.