Essen. Die Piraten treibt gerade eine steife Brise voran. Bei neun Prozent sehen jüngste Umfragen die Partei. Doch die Freiheit, die die Piraten antreibt, ist eine reine Konsumentenfreiheit. Mit der anderen Seite, die die Knete bezahlen muss, beschäftigen sich die Piraten nicht. Eine Analyse.

Vielleicht hat aber der Begriff von Freiheit, den sich die Piraten machen, etwas Schmarotzerhaftes, vielleicht wulffen die Piraten auch einfach nur. Sie wollen das Urheberrecht faktisch abschaffen, weil die „Kopierbarkeit von digital vorliegenden Werken“ sich technisch nicht sinnvoll einschränken lasse. Das Urheberrecht ist als Idee jetzt schon weit über 200 Jahre alt. Es dient dazu, die Kunst zu schützen vor dem Plagiat. Ohne Urheberrecht hätte aus Guttenberg kein Täter werden können. Vielleicht kann, muss man feststellen: Ohne Urheberrecht keine Kunst.

Die Abwesenheit von Kunst heißt RTL II. Die bloße Bestätigung des Bestellten. Die Abwesenheit von Kunst, so hat es Julia Franck der Süddeutschen Zeitung gesagt, führe in die Barbarei.

Piraten wollen das Kopieren nicht verbieten, sondern erleichtern

Das Recht am eigenen Bild, eigener Sprache, eigenem Sound: Es sorgt für einen Preis. Im Internet hat derlei plötzlich keinen Preis mehr. Die Piraten sind die Internetpartei. Sie sind Internetpartei aber damit auch dort, wo das Internet zerstörerisch wirkt, indem es keinen Preis abverlangt. Alles für alle. Ohne Knete. Das ist die Umsonst-Kultur. Die Umsonst-Perversion. Die Piraten wollen das Kopieren, da sind sie folgerichtig, nicht verbieten, sie wollen es vielmehr: erleichtern. Das ist für sie Freiheit. Darüber lohnt es sich zu streiten. Freiheit für wen?

Freiheit, wie sie die Piraten meinen, ist eine reine Konsumentenfreiheit. Eine Konsumentenfreiheit, die sich um die Freiheit der Produzenten nicht schert. Die Piraten treiben die Konsumentenfreiheit auf die Spitze. Geiz ist geil. Nichts bezahlen ist noch geiler. Sollen wir das wirklich wollen? Weshalb macht Sven Regener mit dem Wutausbruch gegen die Piraten in Künstlerkreisen eine derartige Furore? Weshalb bewundern ihn so viele seiner Schriftsteller- und Musiker-Kollegen? Weil er ihnen aus der Seele gewütet hat. Weil er sich öffentlich fühlte, als hätten ihm die Piraten „ins Gesicht gepinkelt“ mit ihrer verächtlichen Rechtfertigung des Raubens von künstlerischem Eigentum im Namen der Freiheit im Netz.

Die Frage nach der Finanzierung stellen die Piraten nicht

Die Piraten verlangen ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden. Sie finden das liberal, weil sie es für liberal halten, dass der Staat jedem die auch finanzielle Möglichkeit einräumen muss, nach seiner Facon selig zu werden. Die Frage, wer das bezahlen soll, stellen sie nicht. Genau so ist es auch mit dem Urheberrecht. Wenn künstlerische Leistung nichts mehr kosten darf, weil liberal sein soll, dass jedermann ein Anrecht haben soll auf gebührenfreie Kunst, wovon lebt denn dann der Künstler?

Von der Werbung, lautet die Piraten-Devise. Ist der Künstler nämlich gut genug, kann er für sein im Internet an die Konsumenten kostenlos weitergegebenes Werk doch Werbung machen und dafür kassieren. Na prima. Dann wird aus schöpferischer Kunst das, für das man Werbegelder kassieren kann. Es wäre vielleicht nicht das Ende von Kunst. Aber das Ende von Kunst, wie wir sie kennen. Sollen wir das wollen?

Die etablierten Parteien reagieren auf die Piraten mit einer hilflosen Kopie

Die Piraten haben mit ihrer Haltung und ihrem coolen Namen einen Nerv getroffen. Die sogenannten etablierten Parteien reagieren, wie schön ironisch, mit hilfloser Kopie. Wie wäre es mal mit herzhafter Gegenwehr? Zum Beispiel mit dem Argument, dass wir uns von ihnen die deutsche Wirtschaftswunder-Erfahrung von Leistung und Gegenleistung nicht madig machen lassen. Sie sind nicht im Recht. Wir sind es.

Die Piraten sind nach ihrem Wahlerfolg im Saarland auch bundesweit weiter im Aufwind: In einer Umfrage des Emnid-Instituts für Bild am Sonntag verbessert sich die Partei im Vergleich zur Vorwoche um zwei Prozentpunkte auf jetzt neun Prozent. Die Zustimmung in der Bevölkerung für das rot-grüne Lager hingegen fällt. So verschlechtern sich die Sozialdemokraten im Vergleich zur Vorwoche um einen Punkt auf jetzt 27 Prozent. Die Grünen, Wunschkoalitionspartner der SPD für die Bundestagswahl 2013, verlieren zwei Prozentpunkte und kommen auf nur noch 13 Prozent. Für die Öko-Partei ist das der niedrigste Wert seit Februar 2010. Eine eigene rot-grüne Mehrheit rückt damit in weite Ferne.