Maskat/Seoul. Internationaler Gipfel statt Wahldebakel im Saarland: Der Ex-FDP-Chef Westerwelle arbeitet an seinem Profil als Außenminister. Beim Atom-Gipfels in Südkorea sagte der Bundesaußenminister, Nordkorea müsse davon abgehalten werden, „die Welt mit seiner nuklearen Strategie zu bedrohen“.

Das Debakel der Parteifreunde an der Saar nimmt Guido Westerwelle aus einer Distanz von 6000 Kilometern zur Kenntnis. Früher, es ist noch keine Ewigkeit her, da wäre er zu einem solchen Anlass in Berlin unabkömmlich gewesen. Dieser Pflicht ist er inzwischen enthoben.

Weiß der frühere FDP-Chef dies zu schätzen? Genießt er es gar? Zumindest möchte er es so erscheinen lassen. Drei Tage lang düst der Außenminister um die halbe Welt und zurück. Zunächst nach Maskat, um dem Sultan von Oman seine Aufwartung zu machen. Dann weiter nach Seoul zum „Gipfel zur Nuklearen Sicherheit“. Weltpolitik statt Saarland.

Krieg oder Frieden

In einem Ungetüm aus Beton, Glas und blitzblankem Granit beraten Staats- und Regierungschefs, an ihrer Spitze der Amerikaner Barack Obama und der Chinese Hu Jin-tao, Delegationen aus 50 Ländern, über Maßnahmen, die Verbreitung von Atomwaffen und radioaktiven Materials zu verhindern.

Wo außer in der UN-Vollversammlung trifft man so viele Hochrangige auf einem Fleck? Lassen sich so beiläufig Gesprächsfäden knüpfen? Krieg oder Frieden, die Zukunft der Bürgerrechte im arabischen Raum, die Sicherheit der Welt: Guido Westerwelles Themen.

Europa und die Welt

Demnächst ist es zwölf Monate her, dass er aus dem FDP-Vorsitz kippte und auch sein Verbleib im Außenamt infrage stand. Im Frühherbst grummelte es erneut, als ihn der neue FDP-Chef Philipp Rösler öffentlich als Außenpolitiker abkanzelte. Seither scheinen die Verfolger müde geworden. Und Westerwelle nutzt die Atempause, um im Amt Akzente zu setzen.

Er profiliert sich neuerdings auf einem Feld, das die Kanzlerin für ihr angestammtes Reservat hält, als Europapolitiker. Mit Ideen für eine zweckmäßigere Verwendung europäischer Fördermittel. Dem Ruf nach der Direktwahl eines europäischen Präsidenten und nach einer europäischen Verfassung. „Die Antwort auf die Krise muss mehr Europa sein, nicht weniger“, ruft er koreanischen Studenten in Seouls Hanyang-Universität zu, deren Ehrendoktor er ist. Europäische Strukturfonds seien darauf auszurichten, Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, nicht die „Wirtschaft von gestern“.

Westerwelle schätzt den Sultan

Aber Europa ist nicht alles. Westerwelle hat Wert darauf gelegt, zum Seouler Nukleargipfel ein eigenes Thesenpapier beizusteuern. Und er hat seine Neigung zum Nahen und Mittleren Osten entdeckt. Nicht weniger als 18-mal hat er im Amt die Region bereist. Gibt es irgendeine Regung zwischen Marrakesch und Maskat, die ihn noch überraschen könnte?

Den omanischen Sultan schätzt er als aufgeklärten Modernisierer, der angesichts aufbegehrender Untertanen nicht schießen lässt, sondern den Dialog pflegt. Und als Nachbarn und Kenner des Iran, mit dem Oman traditionell enge Beziehungen unterhält. Er hofft auf ihn als Vermittler, damit im Atomstreit zwischen den USA, Israel und dem Iran „eine militärische Eskalation auf alle Fälle vermieden wird“.

Der diplomatische Weg

Es ist Westerwelles akute Sorge: „Wir wollen die atomare Bewaffnung des Iran verhindern, aber setzen eindeutig auf den politisch-diplomatischen Weg“, mahnt er. Es ist sein Mantra: „Dafür sorgen, dass es keinen Krieg gibt“ – wäre das nicht eine außenpolitische Tat, eines Genscher würdig?

Ein einziges Mal fühlt man sich noch an den alten Westerwelle erinnert. Es ist in der Hanyang-Universität, wo er sagt, für die wirtschaftliche Zukunft sei der Wettbewerb der Bildungssysteme wichtiger als der der Steuersysteme. Und dies, setzt er hinzu, wolle aus seinem Munde etwas heißen, sei er doch bekanntlich ein großer Befürworter von Steuerreformen. Wenn sich das denn bis Korea schon herumgesprochen hat.