Düsseldorf. Der Landtag von NRW hat seine Auflösung beschlossen. Damit stehen die Zeichen auf Neuwahl. Die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW war zuvor mit ihrem Haushalt gescheitert.
Paukenschlag in Nordrhein-Westfalen: Im Streit über den Landeshaushalt ist überraschend die rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nach nicht einmal zwei Jahren gescheitert. Der Landtag machte mit seiner Selbstauflösung noch am Mittwoch den Weg für Neuwahlen frei. Die Bürger des bevölkerungsreichsten Bundeslandes sollen nun im Mai ein neues Parlament wählen.
SPD und Grüne haben einer aktuellen Umfrage zufolge gute Chancen, nach der Neuwahl ihr gescheitertes Bündnis fortzusetzen. Die Sozialdemokraten könnten nach dem am Donnerstagabend veröffentlichten Deutschlandtrend Extra der ARD für Nordrhein-Westfalen mit 38 Prozent der Wählerstimmen rechnen. Die Grünen kommen auf 14 Prozent. Mit 52 Prozent hätte Rot-Grün damit eine komfortable Mehrheit.
FDP käme nicht in den Landtag
Die CDU würden der Blitzumfrage zufolge aktuell 34 Prozent wählen. Die FDP würde mit zwei Prozent nicht mehr in den Landtag gelangen. Auch die Linke würde den Wiedereinzug ins Parlament mit vier Prozent verpassen. Die Piratenpartei wäre hingegen mit fünf Prozent im Landtag vertreten.
Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Norbert Röttgen kritisiert das Verhalten der FDP vor der entscheidenden Haushaltsabstimmung im Landtag. Die FDP habe sich der rot-grünen Regierung als Steigbügelhalter angedient, sagte Röttgen am Mittwoch im ZDF. Sie müsse nun den Wählern erklären, warum sie erst Zustimmung zum Haushalt der Minderheitsregierung signalisiert, diesen dann aber abgelehnt habe. Röttgen versicherte jedoch, dieser "Zickzackkurs" werde keine Auswirkungen auf die Zusammenarbeit von Union und FDP im Bund haben.
Röttgen wich der Antwort auf die Frage aus, ob er nach der vorgezogenen Landtagswahl auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf gehen würde. Er kämpfe dafür, Ministerpräsident zu werden, betonte der Bundesumweltminister.
Einstimmiges Votum für Auflösung des Landtags
Der Landtag votierte einstimmig für den von SPD, Grünen und CDU gestellten Antrag auf Selbstauflösung. Damit muss nun nach der Landesverfassung binnen 60 Tagen neu gewählt werden. Das Ende der Minderheitsregierung kam völlig überraschend. Auf den Weg gebracht wurde es durch ein Rechtsgutachten der Landtagsverwaltung. Diese erst am Dienstag bekannt gewordene Expertise kam zu dem Schluss, dass bereits bei der Ablehnung nur eines Einzeletats der gesamte Haushaltsentwurf der Regierung als abgelehnt gilt.
Rot-Grün war erst im Juli 2010 in die Regierung gekommen. Der Minderheitsregierung fehlt im Landtag eine Stimme zur absoluten Mehrheit, sie war daher auf Stimmen der Opposition angewiesen. In allen wichtigen Abstimmungen hatte sie dank wechselnder Mehrheiten stets ihre Vorhaben durchgebracht.
Eine Neuwahl muss laut Landesverfassung binnen 60 Tagen nach der Selbstauflösung des Parlaments stattfinden.
CDU und FDP für weitere Einsparungen
Im Plenum stimmten nur 90 Abgeordnete für den Einzelplan des Innenministeriums und 91 Parlamentarier dagegen. Da nach der Rechtsauffassung der Landtagsverwaltung bereits die Ablehnung einer Einzelposition die Ablehnung des gesamten Haushalts bedeutet, scheiterte damit der Finanzetat für 2012. Diese juristische Bewertung war erst am Dienstag bekannt geworden.
Eigentlich sollte der Haushalt Ende des Monats in dritter Lesung verabschiedet werden. Die Regierung wollte bis dahin noch um Zustimmung in der Opposition werben.
Röttgen erklärte, die rot-grüne Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sei mit ihrer Politik gescheitert. "Das Parlament hat der Regierung sein Misstrauen ausgesprochen." Nun müsse der Bürger über "einen Neuanfang" entscheiden.
Der Haushaltsentwurf sah Ausgaben in Höhe von rund 58 Milliarden Euro sowie eine Neuverschuldung von 3,6 Milliarden Euro vor. CDU und FDP wollten weitere Einsparungen durchsetzen, während die Linke Mehrausgaben forderte.
Röttgen will als Spitzenkandidat der CDU antreten
Ministerpräsidentin Kraft hatte kurz vor der Abstimmung noch einmal an die Opposition appelliert. "Es geht um viel. Es geht um das Wohl unseres Landes", sagte sie. Zugleich betonte sie jedoch auch, sie halte nichts davon, auf Zeit zu spielen und rief die Opposition dazu auf, auf "taktische Spielchen" zu verzichten.
Der CDU warf sie vor, diese wolle zwar, dass weniger Schulden gemacht würden. Ihre Vorschläge seien jedoch "schlicht und einfach unseriös". Von den Liberalen seien gar keine Ideen eingebracht worden. Die Linken hätten Mehrausgaben von mehr als einer Milliarde Euro gefordert, sodass keine verantwortungsvolle Politik mit ihnen möglich sei.
Röttgen will als Spitzenkandidat der NRW-CDU in den Wahlkampf ziehen. Er sei zu einer Kandidatur bereit, sagte Röttgen, der auch Landesvorsitzender der Partei ist. Die CDU wolle stärkste Kraft werden. Die Bedingungen dafür seien "mit dem heutigen Tag" besser geworden.
FDP fordert Kraft zum Rücktritt auf
"Wir sind gut gewappnet", fügte CDU-Generalsekretär Oliver Wittke, hinzu. Die CDU werde die Themen Landesverschuldung und Nachhaltigkeit ins Zentrum ihres Wahlkampfes stellen. Rot-Grün habe in vielen Bereichen der Landespolitik nicht gehandelt und den "Gestaltungsanspruch" verspielt.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhard Papke sagte, der rot-grüne Haushaltsentwurf reiche bei weitem nicht aus, um Nordrhein-Westfalen in eine gute Zukunft zu führen. Einen Haushalt, der NRW in einen Schuldensumpf führe, sei für die FDP aber nicht hinnehmbar.FDP muss um Wiedereinzug in den Landtag fürchten.
Angesichts des anstehenden Endes der rot-grünen Landesregierung hat die FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zu einer Rücktrittserklärung aufgefordert. Kraft müsse die "nötige Souveränität für diesen Schritt" aufbringen, sagte Fraktionschef Gerhard Papke am Mittwoch in Düsseldorf
Politische Beobachter reagierten einigermaßen überrascht über die Haltung der Opposition: Nach der letzten Umfrage des NRW-Trends des WDR käme die CDU derzeit auf 35 Prozent der Stimmen, die SPD ebenfalls, die Grünen 17 Prozent, die FDP zwei Prozent, die Linke drei Prozent und die Piraten auf fünf Prozent. Nutznießer von Neuwahlen wären also in erster Linie Rot-Grün.
Merkel - Bundespolitik ist von NRW-Wahl unabhängig
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die bevorstehenden Neuwahlen in NRW begrüßt und zugleich deren Auswirkungen auf die Bundespolitik relativiert. "Die Arbeit auf der Bundesebene ist völlig unabhängig von den Wahlen in den Ländern", sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. "Wenn es zu Neuwahlen kommen sollte, dann ist das gut und richtig, dass es keine Minderheitsregierung mehr geben wird."
Zugleich kündigte die CDU-Chefin an, dass ihre Partei im Wahlkampf eine solide Haushaltsführung in den Mittelpunkt stellen werde. Die Oppositionsparteien CDU und FDP kritisieren seit Monaten, das die rot-grüne Minderheitsregierung die Neuverschuldung des Landes noch erhöhe. Merkel betonte, es sei wichtig, eine Regierung zu wählen, die die Zukunft Nordrhein-Westfalens nicht "dadurch verbaut, dass immer wieder Schulden gemacht werden". (dapd/rtr/afp/we)