Angeblich soll jeder vierte Muslim gewaltbereit sein. Das wollte jedenfalls Innenminister Friedrich (CSU) aus einer neu erstellten Studie herauslesen. Die Wissenschaftler, die die Untersuchung verfasst haben, werfen dem Minister nun vor, die Ergebnisse gar nicht gelesen zu haben.
Die Autoren der Studie zum Integrationswillen junger Muslime in Deutschland beklagen "eine völlige Verfälschung der Ergebnisse" durch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Die Mitarbeiter der beteiligten Institute seien aufgrund der öffentlichen Darstellung der Ergebnisse durch den CSU-Politiker niedergeschlagen gewesen und hätten schlaflose Nächte hinter sich, sagte der Bremer Sozialwissenschaftler Klaus Boehnke dem "Spiegel" laut Vorabbericht.
Friedrich hatte die Studie am Donnerstag mit den Worten kommentiert: "Wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten". Der Innenexperte der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), die hohe Zahl nicht integrierter und auch nicht integrationswilliger Muslime sei "erschreckend". Opposition und islamische Verbände hatten Friedrich eine Stigmatisierung von Muslimen und eine Spaltung der Gesellschaft vorgeworfen.
Drei Viertel der deutschen Muslime will sich integrieren
Die Mehrheit der Muslime will sich der Studie zufolge in die deutsche Gesellschaft einfügen. Mehr als drei Viertel der Muslime mit deutschem Pass befürworten demnach eine Integration, bei den nichtdeutschen Muslimen ist es knapp die Hälfte. Offenbar habe niemand, der sich öffentlich geäußert habe, einen Blick in die Studie geworfen, resümierte Boehnke. "Die Integration von Muslimen ist auf einem guten Weg."
Ein weiterer Autor, der Psychologe Peter Holtz, schrieb in einem Beitrag für "Spiegel Online", die vom Innenministerium in Auftrag gegebene Erhebung sei völlig missverstanden worden. Die rund 700 Seiten lange Arbeit werde auf die Aussage reduziert: "So und so viele sind radikal und wollen sich nicht integrieren". Womöglich wäre es besser gewesen, gar nicht zu Muslimen zu forschen, bemerkte Holtz mit Blick auf Thilo Sarrazin, der sich durch die Studie bestätigt sah. Ziel sei vielmehr gewesen, den vier Millionen Muslimen in Deutschland eine Stimme zu geben. Über sie werde viel, mit ihnen aber wenig geredet.
Friedrich schlägt mildere Töne an
Am Wochenende schlug Friedrich mildere Töne an als in den Tagen zuvor. In der "Bild"-Zeitung verlangte er von allen Deutschen mehr Engagement für die Integration von Zuwanderern. Er wolle gemeinsam mit muslimischen Verbänden gegen Fanatismus vorgehen. Verbandsvertreter hatten sich zuvor beklagt, dass sie von der Studie erst aus der Zeitung erfuhren. Friedrich stellte nun auch klar, Integration sei ein "Geben und Nehmen auf beiden Seiten". Er plädierte zudem für eine vermehrte Ausbildung von Imamen an deutschen Universitäten sowie islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen.
SPD-Innenexperte Michael Hartmann beklagte ein "Hin und Her" Friedrichs nach der Veröffentlichung der Studie. Dieses verrate Kalkül oder Orientierungslosigkeit, sagte Hartmann. Er forderte eine Stellungnahme von Friedrichs im Innenausschuss des Bundestages. (dapd)