Berlin/Düsseldorf. Bei der Integration von Zuwanderern gibt es in NRW wie in anderen Bundesländern noch viel Verbesserungsbedarf. Das zeigt eine Studie. Die Untersuchung löste einen integrationspolitischen Streit in der Landespolitik aus. Bundeskanzlerin Merkel versucht, das Ganze positiv zu sehen.

Bei der Integration von Zuwanderern gibt es in Nordrhein-Westfalen wie in anderen Bundesländern auch noch viel Verbesserungsbedarf. Dies geht aus der am Montag vorgestellten Studie «Ungenutzte Potenziale - Zur Lage der Integration in Deutschland» des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung hervor. Die Untersuchung löste einen integrationspolitischen Streit in der Landespolitik aus.

Der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen, Bülent Arslan, kritisierte politische Versäumnisse bei der Integration türkischer Einwanderer in Deutschland. Bis Ende der 90er Jahre sei die deutsche Politik in Sachen Integration mehr oder weniger untätig geblieben, sagte Arslan. «Jetzt fängt man an, aber das wird alles noch eine gewisse Zeit brauchen», fügte Arslan hinzu.

NRW im Mittelfeld

Bei der Integration von Zuwanderern gibt es in Nordrhein-Westfalen wie in anderen Bundesländern auch noch viel Verbesserungsbedarf. (ap)
Bei der Integration von Zuwanderern gibt es in Nordrhein-Westfalen wie in anderen Bundesländern auch noch viel Verbesserungsbedarf. (ap) © AP

Die Untersuchung des Berlin-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass türkische Zuwanderer bei einem Vergleich von Bildungsstand, Berufserfolg oder sozialer Integration weitaus schlechter abschneiden als Zuwanderer aus Nationen wie Spanien, Portugal, Italien oder Griechenland. Auf der Grundlage des Mikrozensus 2005 wurde die Integration von rund 800 000 Zuwanderern untersucht.

NRW liegt im Mittelfeld der Länder-Vergleichsstudie. Das bevölkerungsreichste Bundesland beherbergt rund vier Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, was 23 Prozent der Bevölkerung entspricht. Menschen türkischer Herkunft stellen mit 24 Prozent die zweitgrößte Gruppe - nach den Aussiedlern mit 28 Prozent.

Duisburg Bochum und Herne schneiden schlecht ab

53 Prozent aller Zuwanderer in NRW haben bereits die deutsche Staatsangehörigkeit. Der schleppende Strukturwandel hat der Studie zufolge «wenige gut qualifizierte Zuwanderer angelockt und die ansässigen Migranten offenbar kaum zu verstärkten Bildungsanstrengungen motiviert».

Nur 19 Prozent der über 30-jährigen Migranten verfügen demnach über eine Hochschulqualifikation. 17 Prozent haben keinerlei Schul- oder Ausbildungsabschluss. Vor allem Ruhrgebietsstädte wie Duisburg Bochum und Herne, wo zahlreiche türkische Einwanderer leben, schneiden im Vergleich zu anderen Kommunen schlecht ab.

Merkel sieht Studie als Motivation

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dazu aufgerufen, bei den Anstrengungen für eine bessere Integration von Migranten nicht nachzulassen. Mit Verweis auf die Integrations-Studie sagte sie am Montag in Berlin: «Ich bitte alle die, die im ersten Atemzug wegen der harten Botschaft dieser Studie etwas erschrocken waren, das Ganze positiv zu wenden.» Sie ermunterte in ihrer Rede beim Internationalen Integrations-Symposium in Berlin deren Teilnehmer, die Fakten der Studie zu diskutieren und als Aufmunterung für weitere Anstrengungen bei der Integration zu verstehen.

Angesichts der alternden Gesellschaft sei Deutschland auf Migranten angewiesen, sagte Merkel. «Wir können auf kein einziges Talent in diesem Land verzichten», betonte sie. Diese Auffassung habe es in der 60-jährigen Geschichte der Bundesrepublik nicht immer gegeben. Noch in der dritten und vierten Generation von eingewanderten Gastarbeitern habe man die Migranten als «Gäste», die irgendwann wieder gehen sollten, betrachtet. Die CDU-Vorsitzende räumte ein: «Auch in meiner Partei haben wir uns mit diesem Begriff lange etwas in die Tasche gelogen.»

NRW-CDU weist Verantwortung von sich

Die Grünen warfen der CDU/FDP-Koalition in NRW Tatenlosigkeit in der Integrationspolitik vor. «Diese Landesregierung blockiert sich bei der Integration gegenseitig», sagte Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. Integrationsminister Armin Laschet (CDU) könne sich gegen die FDP offenbar nicht mehr durchsetzen. So sei die Teilhabe von Zuwanderern in den Kommunen trotz Versprechungen nicht verbessert worden. FDP-Generalsekretär Christian Lindner wies die Kritik scharf zurück und bezeichnete die Grünen als «Brandstifter».

Die CDU-Landtagsfraktion wies die Verantwortung für die Defizite von sich. «Die Ergebnisse der Studie sind eine traurige Schlussbilanz der 2005 abgelösten rot-grünen Landesregierung», sagte der CDU-Abgeordnete Michael-Ezzo Solf. Erst unter Schwarz-Gelb sei eine realistische Politik für Zuwanderer eingeleitet worden.

Bildung und Qualifizierung im Vordergrund

SPD-Fraktionsvize Britta Altenkamp wies die Vorwürfe der CDU als «billige Polemik» zurück. Die neue Studie zeige, dass die Situation insbesondere der türkischen Migranten und besonders ihrer Kinder «immer noch besorgniserregend ist». Parteipolitische Schuldzuweisungen seien fehl am Platz, betonte Altenkamp.

Der NRW-Integrationsbeauftragte Thomas Kufen (CDU) lobte das gute Abschneiden von Aussiedlern in der Untersuchung. «Ich hoffe, dass diese Studie dazu beiträgt, mit den oftmals mit Vorur­teilen beladenen Bildern der Aussiedlerinnen und Aussiedler aufzuräu­men», sagte Kufen. Die Landesregierung setze weiter auf «Integration durch Bildung, Er­ziehung und berufliche Qualifizierung».

Der Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT), Andreas Goldberg, forderte von der Politik mehr Anstrengungen bei der Bildungspolitik. «Hier gilt es schlicht etwas aufzuholen, das jahrelang versäumt wurde», sagte der Forscher. Die Türken in NRW seien besonders von der Krise der Montanindustrie getroffen worden. Bildung und Qualifizierung bleibe hier eine vordringliche Aufgabe. (ddp)

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