Berlin. . Der Griechenland-Krise und Wulff-Affäre zum Trotz: Respekt und Ansehen der Kanzlerin sind so groß wie nie zuvor.
Hundert Bürger warten im Erfurter „Kaisersaal“. Auftritt von Angela I. In Thüringen ging die Kanzlerin auf Tuchfühlung mit den Bürgern. So wie in Erfurt werden sie im Laufe des Monats auch in Heidelberg und Bielefeld zum „Zukunftsdialog“ mit Angela Merkel kommen. Das Volk und seine Herrscherin. Die Bürger erleben eine Kanzlerin, die zuhört. „Ich nehme das mit“, sagt sie dann. Oder: „Ich nehme das auf.“ Sie mache sich ein „Bild aus dem Leben“, erklärt Merkel.
Wann immer sie unter Druck geriet, versuchte Merkel stets, sich zu erden. So agierte sie auch in der CDU. Dort nennt man es: Regionalkonferenzen.
Es scheint, als ob Merkel ihr Prinzip von der Partei auf das Volk überträgt. Sie erinnert im Ansatz auch an Hannelore Krafts „Praxis-Check“ in NRW; mit dem Unterschied, dass die Opposition in Berlin noch nicht auf die Idee kam, den „Zukunftsdialog“ des Kanzleramts als verdeckte CDU-Finanzierung beim Präsidenten des Bundestages anzumelden.
„Merkel gewinnt immer“
Tatsächlich hat Merkel jeden Grund, sich rückzukoppeln, ganz ohne Medien, ungefiltert. Gerade jetzt. Führte die FDP sie nicht bei der Nominierung des Kandidaten für das Bundespräsidentenamt vor? Skandierten die Opposition und die Medien nicht unisono „Kanzlerdämmerung“, weil ihre Koalition bei einer Abstimmung über die Griechenland-Hilfe die „Kanzlermehrheit“ verfehlte? Ist es so weit? Kanzlerdämmerung?
Die Antwort fällt Demoskopen relativ leicht. Der unvermeidliche Manfred Güllner von „Forsa“ gibt sie wie ein Naturgesetz preis. Es lautet „Merkel gewinnt immer.“
Weder die Wulff-Affäre noch die Gau( c)kelei der FDP oder die Mäkelei in den eigenen Reihen an ihrer Euro-Politik haben ihr etwas anhaben können. Insbesondere habe es ihr nicht geschadet, dass sie soeben im Präsidentenpoker um Joachim Gauck die schlechteren Karten hatte, analysiert der Forsa-Mann. Im Politikerranking des „Stern“ erreicht die Unerschütterliche denn auch Höchstwerte.
Auch der ARD-„Deutschlandtrend“ dürfte SPD-Chef Sigmar Gabriel gestern Abend frustriert haben. „Es war vernünftig, dass sie in der Kandidatenfrage nachgegeben hat“, sagten dort 81 Prozent. Weil die Klügere nachgab, bleibt Merkel die beliebteste Politikerin. 62 Prozent der Befragten sind mit ihrer Arbeit zufrieden, zwei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr.
Angela die Große
Die Zustimmung für Merkel ist klassenübergreifend. Auch im Ranking der Zeitschrift „Capital“, schneidet die Kanzlerin hervorragend ab. In den Chefetagen galt sie nach der Energiewende als angeschlagen. Das Bild änderte sich radikal, als dann die Krisenmanagerin die EU-Bühne betrat. Auf die Frage „ist Merkel eine starke Kanzlerin“ antworteten im Dezember 2011 70 Prozent mit „Ja“. Ihr Anteil hatte sich in nur einem halben Jahr verdoppelt. „Angela die Große“, staunt „Capital“.
Ist Europa der Schlüssel? Über eine deutsche Alleinherrschaft ächzen sie in Brüssel und Athen. Genau so sieht sie auch ihr eigenes Volk: Kanzlerin obenauf.
Hier ist der Zeitpunkt gekommen, einen politisch ganz unverdächtigen einzuführen: Joachim Löw, der Fußball-Bundestrainer, der in der „Sportschau“ verkündete, für ihn sei Merkel der Mensch des Jahres 2011, weil sie „unglaublich viele Aufgaben zu bewältigen hatte und mit einer unglaublichen Energie vorangeht, um Europa zu retten.“
Krisen machen Merkel stark
Krisen machen Merkel stark und lassen alle um sie herum viel kleiner erscheinen: Klein, kleiner - Rösler. Die FDP von Vize-Kanzler Philipp Rösler verharrt im „Deutschlandtrend“ bei drei Prozent; ihr Chef bleibt auf der Sympathieskala das Schlusslicht.
Vieles erklärt die Popularität der Kanzlerin, ihre unaufgeregte Art, ihre Spitzenstellung in der EU, nur eines aber nicht: Ihre Partner daheim. Merkel ist beliebt, ihre Koalition törnt ab. Am liebsten hätten die Bürger eine große Koalition, dann Rot-Grün oder Schwarz-Grün, erst an vierter Stelle kommt die FDP ins Spiel, ermittelt der Deutschlandtrend.
67 Prozent glauben auch, dass der FDP ihr Eintreten für Gauck nichts nützen wird. 43 Prozent waren „ indes positiv überrascht“ von Röslers Verhalten in der Gauck-Frage. So viel Heldenmut hatten sie ihm nicht zugetraut.
Auch das haben die Bürger mit Angela I. gemeinsam.