Karlsruhe. Bei der Einteilung von Wahlkreisen muss beachtet werden, wie groß der Anteil an Minderjährigen in dem Gebiet ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Ob die Entscheidung tatsächlich Auswirkung auf Wahlkreise hat, ist noch unklar. Bis zur Wahl 2013 muss Klarheit herrschen.
Beim Zuschnitt der Wahlkreise für Bundestagswahlen muss künftig beachtet werden, wie groß der Anteil Minderjähriger in der jeweiligen Region ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Grundsatzbeschluss entschieden. Die mit der Klage angegriffene Bundestagswahl 2009 ist aber noch gültig gewesen, urteilten die Karlsruher Richter.
Bislang stellte die Einteilung der 299 Wahlkreise auf die deutsche "Wohnbevölkerung" inklusive der Kinder und Jugendlichen ab - und nicht nur auf die Zahl der Wahlberechtigten ab 18 Jahren, wie es der Kläger wollte. Dies kann nun so bleiben. Nur: Wenn sich gravierende Unterschiede beim Minderjährigen-Anteil zeigen, sind neue Zuschnitte der Wahlkreise angezeigt.
Beschluss könnte sich auf Bundestagswahl 2013 auswirken
In der Entscheidung des Zweiten Senats wurde dem Gesetzgeber keine Frist gesetzt. Möglicherweise könnte sich der Beschluss aber bereits auf die kommende Bundestagswahl im Jahr 2013 auswirken. "Der Gesetzgeber ist jedenfalls gehalten, künftig sein Augenmerk darauf zu richten, ob die Zahl der Wahlberechtigten sich in den einzelnen Wahlkreisen annähernd gleicht", sagte Gerichtssprecherin Judith Blohm auf dapd-Anfrage.
In seiner Wahlprüfungsbeschwerde machte der Kläger geltend, dass die bisherige Wahlkreiseinteilung anhand der Einwohnerzahl die Wahlrechtsgleichheit verletzt habe. Denn eigentlich soll in allen Wahlkreisen eine vergleichbare Stimmenzahl erforderlich sein, um ein Mandat zu erringen. Doch tatsächlich sei der Anteil der Wahlberechtigten in den einzelnen Wahlkreisen unterschiedlich hoch, argumentiert der Kläger. Deshalb seien annähernd gleiche Erfolgschancen der Erststimmen gar nicht gewährleistet.
Bei der Bundestagswahl 2009 lag "noch" kein Verstoß gegen Wahlrecht vor
Das Verfassungsgericht sah bei der Bundestagswahl 2009 aber keinen Wahlfehler. Es habe "noch" kein Verstoß gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit vorgelegen.
Der Gesetzgeber habe ohnehin die Pflicht, "die Wahlkreiseinteilung regelmäßig zu überprüfen und erforderlichenfalls zu korrigieren". Dies gelte sowohl für den konkreten Zuschnitt der Wahlkreise als auch für die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen ihrer Einteilung.
"Erhebliche Abweichungen" in 15 der 299 Wahlkreise
In dem Beschluss heißt es: "Die Wahlrechtsgleichheit gebietet grundsätzlich eine Einteilung der Wahlkreise auf der Grundlage der Zahl nur der Wahlberechtigten." Dies sei bislang unproblematisch gewesen, da angenommen wurde, dass sich der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Bevölkerung regional kaum unterscheidet.
Doch unter Berufung auf statistisches Material zur Wahl 2009 wiesen die Richter nun darauf hin, dass der Anteil Minderjähriger an der Bevölkerung gar nicht so gleichmäßig sei. Die Unterschiede in der regionalen Verteilung könnten nicht einfach vernachlässigt werden. Der Minderjährigenanteil reichte demnach etwa von 22,9 Prozent im Wahlkreis 33 (Cloppenburg-Vechta) bis zu 11,5 Prozent im Wahlkreis 71 (Dessau-Wittenberg).
Bei der Bundestagswahl 2009 seien von "erheblichen Abweichungen" zwar nur 15 der 299 Wahlkreise und damit "vergleichsweise wenige Fälle" betroffen gewesen. Allerdings werde der Gesetzgeber bei der Wahlkreiseinteilung künftig den Anteil Minderjähriger an der Bevölkerung "sowohl bezogen auf die Länder als auch im Vergleich zwischen den einzelnen Wahlkreisen in den Blick zu nehmen haben", betonte das Bundesverfassungsgericht. (AZ: 2 BvC 3/11) (dapd)