Karlsruhe. . Das Bundesverfassungsgericht zweifelt am Sondergremium der Bundesregierung zur Euro-Rettung. SPD-Politiker hatten geklagt, dass die Abgeordneten des Bundestags bei der Euro-Rettung nicht ausreichend beteiligt werden. Ein Urteil soll im Januar fallen.
Das Bundesverfassungsgericht zweifelt daran, dass die Abgeordneten des Bundestags bei der Euro-Rettung ausreichend beteiligt werden. Das wurde am Dienstag in Karlsruhe bei der mündlichen Verhandlung über die Klage zweier SPD-Bundestagsabgeordneter deutlich. Sie wenden sich gegen das neunköpfige Sondergremium, das in besonders eiligen oder vertraulichen Fällen anstelle des Bundestags-Plenums oder des Haushaltsausschusses Entscheidungen zum Euro-Rettungsschirm EFSF treffen sollte. Das Verfassungsgericht hatte Ende Oktober per Eilentscheidung eine Arbeitsaufnahme des Gremiums vorerst gestoppt.
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte am Dienstag, dass es möglich sei, im Fall eines solchen „Kleinstgremiums“ die übrigen 611 Parlamentarier „aus der Verantwortung“ zu nehmen. „Ich habe gewisse Zweifel, ob das richtig sein kann“, sagte Voßkuhle. Auch der Berichterstatter des Verfahrens, Richter Udo di Fabio, sprach von „Gefahren“, wenn lediglich neun Abgeordnete „exklusiv“ wichtige Informationen im Zuge der Euro-Rettung erhalten und dann entscheiden müssen.
Schäuble hält Sondergremium für verfassungsgemäß
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält das Sondergremium, dessen Mitglieder aus den 41 Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Bundestages gewählt wurden, für verfassungsgemäß. Der CDU-Politiker betonte, Deutschland habe eine „hohe Verantwortung für die Stabilität“ des Euro. „Seit Gründung des EFSF haben wir eine Zuspitzung der Marktsituation - und die nimmt jeden Tag zu“, sagte der Minister. Um eine „Ansteckungsgefahr“ im Euro-Raum zu bekämpfen, könnten Entscheidungen „in Einzelfällen sehr eilbedürftig und sehr vertraulich sein“.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier (CDU), nannte als Beispiel für einen solchen Fall, dass eine Bank in eine „existentielle Situation“ gerät. Altmaier sagte, das Bundesverfassungsgericht stehe vor einer „Entscheidung von großer Bedeutung für die nationalen Belange unseres Landes und für die europäische Staatengemeinschaft“. Das Bundesverfassungsgericht wird „voraussichtlich im Januar“ sein Urteil verkünden, wie Gerichtssprecherin Judith Blohm auf dapd-Anfrage sagte.
Rechte als Abgeordnete verletzt?
Die beiden klagenden SPD-Abgeordneten Peter Danckert und Swen Schulz sehen sich durch das Sondergremium in ihren Rechten als Abgeordnete verletzt. Ihr Eilantrag war bereits erfolgreich. Jetzt verhandelte das Gericht über ihre Organklage in der Hauptsache.
Voßkuhle betonte, auch angesichts der europäischen Staatsschuldenkrise dürften Sachzwänge „nicht allein handlungsleitend“ sein. Er wies darauf hin, dass es beim Parlamentsrecht „allgemeingültige verfassungsrechtliche Maßstäbe“ gebe. „Die verfassungsrechtlichen Spielregeln, unter deren Geltung die Politik den Wettstreit um die besten Ideen ausficht, müssen gerade auch in schwierigen Zeiten eingehalten werden“, sagte der Gerichtspräsident. Die Forderung „Not kennt kein Gebot“ habe historisch gesehen den Menschen - „wenn überhaupt - immer nur sehr kurzfristig Glück gebracht“. (dapd)