Berlin. . Der Bundestag hat am späten Montagnachmittag das zweite Griechenland-Hilfspaket mit breiter Mehrheit durchgewunken. Kanzlerin Angela Merkel erlitt bei der Abstimmung dennoch eine herbe Schlappe – überraschend verpasste sie die Kanzlermehrheit.

Die Kanzlerin räumte offen ein „Risiko“ ein, ihr SPD-Kontrahent Peer Steinbrück warnte vor einer Hilfsaktion „auf sehr dünnem Eis“. Die Warnungen im Bundestag am Montag zur Griechenland-Hilfe sollten sich anders und schneller bewahrheiten als gedacht: Zwei Stunden später verpasste Angela Merkel bei der Abstimmung über das zweite Griechenland-Paket überraschend die Kanzlermehrheit – statt der notwendigen 311 Stimmen von Schwarz-Gelb votierten nur 304 Abgeordnete von CDU, CSU und FDP für die Hilfen von insgesamt 130 Milliarden Euro Kreditzusagen und Garantien, die Griechenland kurzfristig vor der Pleite retten sollen. 17 Koalitionsabgeordnete votierten mit Nein,drei enthielten sich.

Dank der Zustimmung von Grünen und SPD erhielt das Paket dennoch eine sehr breite Mehrheit, doch die verfehlte Kanzlermehrheit ist eine erneute Schlappe Merkels in ihrer Koalition. Führende Unionspolitiker bemühten sich aber, Gelassenheit zu demonstieren: „Für die Kanzlerin bedeutet das Ergebnis die Gewissheit, dass weiterhin eine ganz große Mehrheit in der eigenen Koalition und im Bundestag insgesamt hinter ihrer Politik in der Eurokrise steht“, sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier. Die Koalition habe mit einem Vorsprung von 19 Stimmen eine deutliche eigene Mehrheit erreicht.

Euro-Rebellen warnen vor „dauerhaft falschem Weg“

Mehrere Abgeordnete wie der Euro-Rebell Frank Schäffler (FDP) oder CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch hatten schon zuvor in der Debatte ihre Ablehnung deutlich gemacht, vor einem „dauerhaft falschen Weg“ gewarnt. Doch offenbar hatten diesmal umstrittene Äußerungen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) weitere Zweifler in den eigenen Reihen mobilisiert. Friedrich hatte dafür plädiert, Griechenland Anreize zum Austritt aus dem Euro zu geben.

Die Kanzlerin rief ihn noch am Wochenende verärgert am Telefon zur Ordnung, gestern distanzierte sich von den Äußerungen - ohne den erhofften Erfolg. Merkel warnte, ein Ausstieg Griechenlands als Alternative zu weiteren Hilfen berge unkalkulierbare Risiken: Niemand könne abschätzen, welche Folgen eine Insolvenz des Landes für Deutschland und Europa habe würde.

Merkel „muss Risiken eingehen“ – keine Abenteuer

„Ich muss Risiken eingehen, aber ich darf keine Abenteuer eingehen, das verbietet mein Amtseid“, sagte Merkel. Deshalb werbe sie nach gründlicher Abwägung dafür, die Chancen eines weiteren Hilfspakets zu nutzen. Allerdings sei der Weg nicht ohne Risiko, eine „hundertprozentige Erfolgsgarantie“ könne es nicht geben. Immer wieder folgten in Griechenland den Worten keine oder zu wenig Taten oder keine.

SPD und Grüne begründeten ihre Zustimmung mit „politischer Verantwortung für Europa“, übten aber scharfe Kritik an der Bundesregierung. Merkel habe die Dimension der Krise unterschätzt und trage mit ihrer Fixierung auf den Defizitabbau in Griechenland Verantwortung für die jetzige Lage, erklärte Peer Steinbrück. Die Strategie des „Zeit-Kaufens“ für Griechenland sei gescheitert.

Gysi vergleicht Griechenland-Hilfen mit Reparationsforderungen von Versailles

Ebenso wie Steinbrück verlangte auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast ein Investitionsprogramm und weitere Wachstumshilfen für Athen, um die Abwärtsspirale zu stoppen. Auf heftigen Widerspruch traf Linke-Fraktionschef Gregor Gysi, der die Vorgaben für Athen mit den Reparationsforderungen an Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg verglich: „Sie machen bei Griechenland Versailles“, benötigt werde aber ein Wiederaufbauprogramm nach dem Vorbild des Marshall-Plans.

Schon vor der Abstimmung kündigte Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung an, weitere Verpflichtungen schneller als geplant zu erfüllen: Deutschland sei bereit, in den künftigen Euro-Rettungsschirm ESM noch in diesem Jahr elf Milliarden Euro einzuzahlen, fast dreimal so viel wie ursprünglich für 2012 veranschlagt - dafür muss der Bund wohl auch mehr Schulden aufnehmen als geplant.

Die Opposition sagte voraus, es werde zudem bald ein drittes Hilfspaket für Griechenland geben. Dass der Beschluss nicht der letzte sein wird, räumen intern auch Koalitionspolitiker ein. Schon beim EU-Gipfel am Donnerstag wird auch eine Aufstockung des dauerhaften Krisenfonds von derzeit geplanten 500 Milliarden auf 700 Milliarden Euro beraten. Merkel sagte aber, nach jetzigem Stand sei dies nicht notwendig.