Berlin. . Was bringt Griechenland das neue Hilfspaket? Alexander Kritikos stammt aus Griechenland und ist Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er fordert eine Art Marshallplan – aber würde er das Geld griechischen Politikern anvertrauen?
Alexander Kritikos ist Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Mit ihm sprach Hannes Koch.
Europa hat neue Finanzhilfen für Griechenland beschlossen. Besteht jetzt Aussicht auf Sanierung des Landes?
Kritikos: Die 130 Milliarden Euro und die Verringerung der Auslandsschulden schaffen etwas Zeit, um den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und die griechische Politik wieder handlungsfähig zu machen. Allerdings kann eine wirkliche Sanierung nur gelingen, wenn auch Investitionen in die Zukunft stattfinden.
Die meisten Hilfsmilliarden werden an die Gläubiger fließen. Nur ein kleiner Teil steht für den griechischen Haushalt zur Verfügung, um Investitionen zu finanzieren. Ist dieses Verfahren sinnvoll?
Auf diese Weise kommt Athen um den Bankrott herum und kann sich in Zukunft unter Umständen wieder Geld auf den internationalen Finanzmärkten leihen. Der Nachteil allerdings besteht darin, dass man viel Geld ausgibt, ohne wirklich etwas für den Aufbau der wirtschaftlichen Zukunft zu tun. Deshalb kann das Hilfspaket nur ein Teil der Lösung sein.
Kaum Hoffnung in diesen Tagen
Sie sind griechischer Abstammung. Haben Sie den Eindruck, dass das Land inzwischen Mut zu einem Neuanfang fasst?
In den vergangenen drei Jahren ist die Leistung der griechischen Volkswirtschaft um 15 Prozent gesunken. Auch 2012 wird das Bruttoinlandsprodukt schrumpfen. Deshalb sind allenthalben Klagen zu hören. Die Angestellten haben erhebliche Einkommensverluste und Steuererhöhungen zu verkraften. Gewerbetreibende und Händler leiden darunter, dass die Verbraucher weniger einkaufen. Und die Zahlungsmoral ist auf dem Nullpunkt. Es gibt in diesen Tagen kaum Hoffnung, dass der Aufschwung kommt.
Wie sieht die ökonomische Begründung aus, derzufolge Sparmaßnahmen und Lohnkürzungen zu Wirtschaftswachstum führen?
Die Idee ist, Märkte aufzubrechen und dadurch Dynamik zu entfachen. Ein Beispiel: Der griechische Staat vergibt seit den 1970er Jahren nur eine begrenzte Anzahl von Lastwagen-Lizenzen. Weil die Wirtschaft aber stark gewachsen ist, herrscht heute ein Mangel an Transportleistung. Die Speditionen können hohe Preise verlangen. Würde man nun die Lkw-Lizenzen abschaffen, sänken auf dem freien Markt die Preise und auch die Gewinne der Fahrer. Gleichzeitig könnten aber neue Speditionen in den Markt eintreten. Die Waren würden günstiger und schneller transportiert. Das kann ein Faktor für neues Wirtschaftswachstum sein.
Viel Geld floss in Pflastersteine irgendwo in Nordgriechenland
Sie argumentieren, dass diese Strategie nicht ausreicht. Deshalb fordern Sie zusätzlich einen Marshall-Plan ähnlich der Politik der Alliierten in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Würde das nicht bedeuten, dass Europa noch mehr Geld zur Verfügung stellen muss?
Ja, um die griechische Misere zu überwinden, ist mehr Geld von außen notwendig – und es sollte auch anders eingesetzt werden als bisher. Mit ihren Regionalfonds hat die EU oft armen Dörfern in Nordgriechenland schöne Plätze und Straßen finanziert. Das aber bringt zu wenig Fortschritt. Stattdessen sollte man das Geld lieber investieren, um in den Großräumen Athen und Thessaloniki neue Forschungseinrichtungen und Unternehmensgründungen zu fördern. Das Land braucht neue Arbeitsplätze und Produkte in modernen Branchen. An der Entwicklung innovativer Produkte fehlt es derzeit.
Trauen sie den griechischen Institutionen eine solche Innovationspolitik zu?
Die EU sollte über die Verwendung der Mittel wachen und solche Programme möglichst nicht in die Hände der etablierten Politiker legen. Bei denen ist die Selbstbedienungsmentalität zu stark ausgeprägt. Gut wäre es, griechische Manager und Forscher anzusprechen, die im Ausland zu Erfolg gekommen sind.