Paris. . François Hollande hat beste Chancen, Nachfolger von Nicolas Sarkozy zu werden. Der Sozialist hat eine andere Sicht auf Europa als der Konservative Sarkozy. In Brüssel und Berlin ist daher das Misstrauen gegenüber Hollande groß.
Je länger François Hollandes Höhenflug in den Meinungsumfragen andauert, desto tiefer graben sich die Sorgenfalten auf der anderen Rheinseite. Die Vorstellung, der „rote François“ könne im Mai die Macht im Elysée-Palast erobern, löst nicht nur im Bundeskanzleramt Unbehagen aus. Auch in Brüssel wächst die Angst vor der nahenden Polit-Wende in Frankreich.
Bald fünf, zum Teil Nerven aufreibende Jahre hat die Kanzlerin Angela Merkel gebraucht, bis sie und ihr „cher Nicolas“ sich endlich zusammengerauft hatten: zu einem starken Paar, das in der EU kraftvoll den Ton angibt und bei der Rettung des bedrohten Euro beherzt an einem Strang zieht. Über den Rhein hinweg herrscht jetzt Harmonie, die schon bald zerplatzen könnte.
Denn François Hollande, der sozialistische Herausforderer, schlägt in zentralen Fragen einen gänzlich anderen Kurs ein als die deutsche Kanzlerin. Den jüngst in Brüssel ausgehandelten Stabilitäts- und Fiskalpakt will er neu verhandeln, und die Schuldenbremse lehnt er ab. Während Deutschland die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank weiter verteidigt, will Hollande sie gezielt für milliardenschwere Konjunkturspritzen instrumentalisieren. Die europäische Staatsanleihe? Auch hier sagt François Hollande „Oui“ und Angela Merkel „Nein“. Damit nicht genug: Sogar den Elysée-Vertrag von 1963, Grundstein der deutsch-französischen Aussöhnung, will Hollande zum Missfallen der deutschen Seite neu aufsetzen.
Angela, das Frauchen - Sarko, das Hündchen
Unangenehm verstärkt werden die schrillen Dissonanzen zwischen der Kanzlerin und dem „Umfrage-Präsidenten“ durch eine immer lauter werdende germanophobe Begleitmusik, die besonders in der „Parti Socialiste“ sehr angesagt ist. Vordenker wie Arnaud Montebourg prangern die deutsche Spar- und Stabilitätsbesessenheit an und schwadronieren gar unverhohlen von einem nationalistisch-egoistischen Kurs „à la Bismarck“.
Die von Staatschef Nicolas Sarkozy zuletzt zur Schau gestellte Bewunderung für das „Modèle Allemand“ hat diese tief wurzelnde Abneigung pikanterweise sogar noch verstärkt. Antideutsche Ressentiments reichen sogar bis weit ins bürgerliche Lager. Keine Frage: Deutschland ist in Frankreich zum Wahlkampf-Thema geworden. Und François Hollande, der ehemalige Sozialistenchef, versucht im Volk zu punkten, indem er sich demonstrativ von „Merkozy“ absetzt. Mal macht sich Hollande lustig über den Präsidenten, der auf dem „Gepäckträger der deutschen Rechten“ sitze, mal ätzt er, Sarkozy habe sich der Kanzlerin „unterworfen“. Ein Bild, das sich in Frankreich allmählich einbrennt: Angela, das Frauchen – Sarko, das Hündchen.
Selbst Gerhard Schröder ist Sarkozy-Fan
Selbst in der SPD hält sich die Leidenschaft für Hollande sehr in Grenzen. Parteichef Sigmar Gabriel und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) werden Hollande zwar am 16. März in Paris auf einer internationalen Konferenz Flankenschutz geben. Altkanzler und Ex-SPD-Chef Gerhard Schröder hingegen bekundet offen seine Sympathie für den von seiner „Agenda 2010“ inspirierten konservativen Präsidenten. Herausforderer Hollande nimmt er besonders übel, dass dieser als Sozialistenchef sehr eng mit Linken-Parteichef Oskar Lafontaine zusammengearbeitet habe und nicht mit ihm. „Deshalb gibt’s zwischen uns keinerlei Beziehung“, gestand Schröder dem „Figaro“.
Reichensteuer, Bankenabgabe, kostspielige Beschäftigungs- und Investitionsprogramme: Der Kandidat Hollande streichelt derzeit intensiv die rosarote Seele der Linken. Ein Reflex, der nach Ansicht der Pariser Politikprofessorin und Deutschland-Expertin Hélène Miard-Délacroix jedoch der Logik des französischen Wahlsystems entspreche. Sie sagt: „Im ersten Wahlgang muss Hollande sein Lager, die Linke, mobilisieren, in der Stichwahl rückt er jedoch wieder in die Mitte.“