Paris. . Anfangs beherrschte noch Distanz die Beziehung zwischen der deutschen Kanzlerin und dem französischen Regierungschef. Nun gibt das zu „Merkozy“ verschmolzene Paar bei der Bewältigung der Euro-Krise den Ton an.
Es ist wie so oft in den letzten Monaten: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy treten an diesem Montag gemeinsam vor die Presse. Dieses mal im Elysée, wo sich der deutsch-französische Ministerrat trifft. Und wieder herrscht großes Einvernehmen zwischen Kanzlerin und Präsident. Ganz besonders in der nervenaufreibenden Griechenland-Frage. „Unsere griechischen Freunde müssen zu ihren Verpflichtungen stehen“, sagt der eine, während die andere verständnisvoll nickt und hinzufügt: „Die Zeit drängt.“
Die Nähe zwischen der Deutschen und dem Franzosen ist so innig geworden, dass Sprachschöpfer ihre Namen längst zu „Merkozy“ haben verschmelzen lassen. „Die Kanzlerin hat Recht“, sagt er. Und Angela Merkel wirft den Ball zurück. „Ich stimme Nicolas Sarkozy zu.“
Es ist hauptsächlich die seit vier Jahren schwelende „Finanz-Griechenland-Euro-Schulden“-Krise, die Merkel-Sarkozy zu einem nahezu unzertrennlichen Paar zusammengeschweißt hat. Zwei Menschen, die hinsichtlich Naturell und Temperament unterschiedlicher gar nicht sein können: Hier die kühle protestantische Physikerin mit DDR-Sozialisation, dort der parvenühafte, zappelige Emporkömmling, der seine Urlaube auf Luxusyachten verbringt und sich in eine glamouröse Romanze mit dem singenden Top-Model Carla Bruni stürzt.
Bling-Bling, oder: „Deutschland denkt und Frankreich handelt
Auch politisch passt lange Zeit nicht sonderlich viel zusammen. „Deutschland denkt und Frankreich handelt“, stichelt Sarko zu Beginn der Griechenland-Krise einmal gegen Madame Merkel. Und von ihr erzählt man sich, dass sie sich im engsten Kreise gerne über seine „Bling-Bling-Allüren“ lustig machte.
Politikwissenschaftler und Historiker beschwören seit Jahrzehnten den epochalen Wert der Achse Berlin-Paris, die nach zwei Weltkriegen an die Stelle der Erbfeindschaft getreten ist und das europäische Vereinigungswerk erst möglich machte. Doch diese Völkerfreundschaft über den Rhein hinweg lässt sich nicht durch Verträge formen. Sie will von Menschen mit Leben gefüllt werden: von Feuerwehrleuten und Schulklassen – aber auch von Kanzlern und Präsidenten. Konrad Adenauer und Charles De Gaulle legten den Grundstein des Gebäudes, an dem andere weiterbauten: Helmut Schmidt und Giscard D’Estaing etwa, ganz besonders aber Helmut Kohl und François Mitterrand. Und nun „Merkozy“.
Dutzende Gipfel zur Rettung der Gemeinschaftswährung und lange Brüsseler Nächte haben Angela Merkel und Nicolas Sarkozy in ein schlagkräftiges, kompromissfähiges Team verwandelt. Allein seit dem vergangenen Sommer standen sie auf sieben EU-Gipfeln Seit’ an Seit’ und drückten Europa ihren Stempel auf: einer EU, in der nicht etwa EU-Kommissare und EU-Parlamentarier, sondern die Staats- und Regierungschefs den Kurs bestimmen.
Sarkozy braucht nun Angela Merkel in seinem Wahlkampf
Bei den Franzosen steht Angela Merkel seit Monaten hoch in Kurs, und auch Nicolas Sarkozy schwärmt vom „modéle allemand“. Er braucht Angela Merkel, besonders jetzt im Wahlkampf.
Weil seine Wiederwahl höchst gefährdet ist, wird „chère Angela“ in den nächsten Wochen mehrmals nach Frankreich kommen. Nicht als Kanzlerin, versteht sich, sondern als CDU-Vorsitzende. „Es ist in Europa üblich, dass sich befreundete Parteien unterstützen“, rechtfertigt Merkel ihre Entscheidung. Und sie fügt hinzu, dass sie Sarkozy unterstütze, „egal, was er tut“.
Trotzdem sind Merkels Wahlkampftrips riskant. Denn möglicherweise hat es Angela Merkel nach dem 6. Mai mit François Hollande zu tun. Für viele im Kanzleramt wäre die Wahl des Sozialisten zum Staatschef eine Katastrophe. Deshalb klammert sich Merkel umso heftiger an den angeschlagenen Sarkozy. Sie wirken wie ein altes Ehepaar, das sich zwar nie innig geliebt hat, aber tapfer durch dick und dünn gegangen ist. Eine „Le Monde“-Karikatur zeigt, wie Angela und Nicolas, gemeinsam im Bett liegend, von Carla Bruni ertappt werden. Worauf er sagt: „Ich tu’s nur für Frankreich.“