München. Der bayerische Ministerpräsident steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe: Am politischen Aschermittwoch will Horst Seehofer in Stammtischmanier als CSU-Chef auf die Koalitionspartner CDU, FDP und die Opposition schimpfen und gleichzeitig ein würdiges und ehrfurchtsvolles Staatsoberhaupt abgeben. Kann Horst Seehofer Stammtischpolterer und würdiger Bundespräsident in Einen sein?
Nach dem Rücktritt von Christian Wulff als Bundespräsident ist der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer als amtierender Bundesratspräsident zum ersten Mann im Staate aufgerückt. Seehofer hatte turnusmäßig zum 1. November die Aufgaben des Bundesratspräsidenten übernommen. Damit trifft auf ihn nun Artikel 57 des Grundgesetzes zu: "Bei vorzeitiger Erledigung des Amtes", sprich Rücktritt, werden die Befugnisse des Bundespräsidenten vom Bundesratspräsidenten übernommen.
Es ist schon zum zweiten Mal binnen nicht mal zwei Jahren, dass solch ein Fall eintritt. 2010 übernahm nach dem überraschenden Rücktritt von Horst Köhler Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) die Funktionen des Staatsoberhaupts. Böhrnsen füllte die Übergangszeit bis zur Amtsübergabe an Wulff quasi geräuschlos aus. Für Seehofer dürfte dies ungleich schwerer werden. Als CSU-Chef sitzt er mit am Koalitionstisch und muss nun selbst mit seinen Nachfolger suchen, da dürften bei jeder Gelegenheit Fragen an ihn gestellt werden.
Horst Seehofer will nicht auf Rede am Aschermittwoch verzichten
Nach Angaben eines CSU-Sprechers wird Seehofer aber nicht auf seine Rede beim politischen Aschermittwoch verzichten. Dort wird immer scharf gegen die Opposition und auch gegen CDU und FDP geschossen. Seehofers Redenschreiber stehen nun vor der delikaten Aufgabe, ihn als Staatsoberhaupt präsidial wirken zu lassen und gleichzeitig die Stammtischbedürfnisse nach frechen Sprüchen zu erfüllen.
Doch Seehofer ist in seinem langen politischen Leben schon so manche Überraschung gelungen. Der am 4. Juli 1949 in Ingolstadt geborene Verwaltungswirt war 28 Jahre Bundestagsabgeordneter; davon sechs Jahre Bundesgesundheitsminister und drei Jahre Bundesverbraucherminister. Seit 2008 ist er Ministerpräsident in Bayern. Vor allem das Erstarken Angela Merkels in der CDU bedrohte zwischenzeitlich ernsthaft die politische Existenz Seehofers. Als Merkel die Gesundheitspolitik mit einer Kopfpauschale radikal umbauen wollte, stemmte sich Seehofer vehement dagegen. Im November 2004 kostete ihn das zunächst das Amt des stellvertretenden Unionsfraktionschefs.
Horst Seehofer hatte schon den Ausstieg aus der Politik geplant
Eigentlich wollte sich der zum Arbeitnehmerflügel zählende Seehofer sogar zermürbt von dem Streit ganz aus der Politik zurückziehen. Im April 2005 übernahm er schon den Landesvorsitz des Sozialverbandes VdK mit der Aussicht, Bundesvorsitzender zu werden. Doch nach den Neuwahlen zum Bundestag 2005 und dem anschließenden Regierungswechsel setzte der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber den beim Volk beliebten Seehofer bei Merkel als Bundesverbraucherminister durch - das Comeback war perfekt.
Der Rücktritt Stoibers 2007 und danach das Scheitern von dessen Nachfolgern Erwin Huber und Günther Beckstein führten dazu, dass Seehofer seit 2008 der starke Mann der CSU ist. Seit dem Rückzug des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg wegen einer Plagiatsaffäre hat er keine parteiinterne Konkurrenz mehr. Seine Parteifreunde verdrehen zwar manchmal die Augen über Horst Seehofers Alleingänge - aber sie wissen auch, dass es keine Alternative zu dem erfahrenen Seehofer gibt. (afp)