Brüssel. . Europa erhöht den Druck auf Griechenland. Auch die Pleite ist nicht mehr tabu. Doch das am Abgrund stehende Land zögert noch immer, die von Brüssel geforderten harten Reformen umzusetzen, wenn frisches Geld fließen soll.
Die Nervosität steigt, der Ton wird schärfer. Während in Athen die Regierung mit den internationalen Geldgebern um die Konditionen für die nächste Etappe der Griechenland-Hilfe ringt, machen sich in Brüssel Verärgerung und Resignation breit: Eigentlich sei die Frist für Athen bereits abgelaufen, klagt die EU-Kommission.
„Um die Wahrheit zu sagen – eigentlich sind wir schon jetzt zu spät dran”, erklärte gestern der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. „Wir hatten gehofft, dass die Entscheidungen spätestens an diesem Wochenende fallen würden.”
Treffen verschoben
Die Entscheidungen – das ist die überfällige Vereinbarung mit den privaten Gläubigern Athens, bei denen das Land 50 bis 70 Prozent seiner Schulden loswerden soll. Und das ist, zweitens, die längst fällige Zusage der Athener Regierung an die Troika der Kreditgeber (EU-Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds), dass man sich im Gegenzug für frisches Geld einem weiteren strengen Reform- und Spar-Programm unterzieht. Doch Athen zögert. Ein Treffen der Chefs der Athener Koalitionsparteien um neue Zugeständnisse an die EU wurde gestern auf heute verschoben.
Der Zeitdruck ergibt sich aus einem Datum: Am 20. März muss Griechenland gut 14 Milliarden Euro umschulden. Das schafft es nur mit neuerlicher Hilfe von außen, und die wiederum kommt nur, wenn das gesamte Paket geschnürt ist.
„Ich erwarte, dass Griechenland und alle Parteien sich darauf konzentrieren, wie sie die Maßnahmen der Troika umsetzen können“, mahnte der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz. Es gehe um die unmittelbare Handlungsfähigkeit des griechischen Staates. Zugleich forderte er von der Europäischen Union ein Angebot, wie mehr Wachstum in dem Land erreicht werden kann. „Wir sind an der Grenze dessen angelangt, wo gespart werden kann“, warnte Schulz.
Kritiker sprechen von „Erpressung“
Ein Deal in Athen, wenn er denn endlich steht, muss von den EU-Finanzministern abgesegnet werden. Sobald, und das ist höchst wahrscheinlich, das Volumen des Hilfspakets „Griechenland II“ über die bislang vereinbarten 130 Milliarden Euro steigt, muss auch der Bundestag sein Einverständnis geben. Dann erst kann das Umschuldungsprogramm anlaufen, der Form nach ein Angebot an die Gläubiger, dessen Umsetzung wiederum Zeit in Anspruch nimmt.
„Wir brauchen klare Selbstverpflichtungen”, so Rehn-Sprecher Antonio Altafaj Tardio. „Man muss nicht nur die überzeugen, die Athen diese Solidarität entgegenbringen. Sondern auch alle Marktteilnehmer. Das muss ein solider und glaubwürdiger Plan sein.”
Nach Ansicht der Kritiker – darunter die Athener Regierungsparteien und die Gewerkschaften – ist es hingegen Erpressung. Ihre Interpretation: Europas Druck ist der rücksichtlose Versuch, einer bereits in bittere Not gestürzten Bevölkerung von ihren geschrumpften Einkünften noch mehr abzunehmen, um es Banken und Spekulanten in den Rachen zu schieben.
Auflagen nicht erfüllt
Besonders die Forderung, den Mindestlohn von 750 Euro im Monat um 20 Prozent zu senken, hat für böses Blut gesorgt. Zu Unrecht, findet die EU-Zentrale. In Griechenland werde der Mindestlohn 14 Mal gezahlt und liege damit faktisch bei rund 870 Euro pro Monat. Vor allem aber sind sie in Brüssel genervt, weil die Griechen die Auflagen aus dem ersten Hilfsprogramm nicht erfüllt haben. Und auch das Schlimmste ist in Brüssel nicht mehr tabu: die Pleite. „Wir arbeiten nicht mit dem Szenario”, heißt es. „Aber wir wissen, dass Privatfirmen sich darauf vorbereiten.”