Essen. . Seit Jahren warten Millionen Menschen an der Ruhr auf bessere Reinigungstechnik für ihr Trinkwasser. Aber nichts tut sich – dabei hatte das Johannes Remmel immer gefordert, bevor er Umweltminister wurde. Zögert er wegen der Wasserpreise?
Wie rein ist die Ruhr? Seit Freitag liegt dem NRW-Landtag ein Expertenbericht des Umweltministeriums über die Trinkwasserqualität vor. Fazit: Im Fluss, der fünf Millionen Menschen mit Wasser versorgt, schwimmt ein Cocktail aus Spurenstoffen – Chemikalien, Arzneimittel, Hormone, Pestizidrückstände. Das Thema wird nun politisch brisant.
Ausgerechnet Umweltminister Johannes Remmel, (Grüne) sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, nicht genug für die Sicherheit des Trinkwassers in NRW zu tun. Nach Recherchen der WAZ-Mediengruppe zögert Remmel seit über einem Jahr, die Wasserwerke an der Ruhr zur technischen Nachrüstung zu zwingen. Mit dieser Forderung hatte Remmel während des Skandals um die Chemikalie PFT in der Ruhr den damaligen Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) getrieben. Nun hätte Remmel die Möglichkeit, Investitionen von 150 Millionen Euro per Anordnung zu durchzusetzen – ein einmaliger Vorgang in Deutschland. Doch Remmel handelt nicht.
Der öffentliche Druck zeigte Wirkung
Dabei hatte der massive Druck der Öffentlichkeit während des PFT-Skandals bei den Versorgern Wirkung gezeigt. Der WAZ-Mediengruppe liegt der Schriftverkehr zwischen der Bezirksregierung Arnsberg und dem Umweltministerium aus den vergangenen Jahren vor. Er zeigt, wie die Betreiber der Wasserwerke zwar hartnäckig um Art und Höhe der Investitionen rangen und eine Verlängerung von Fristen zur Umsetzung erreichten – letztlich aber nachgaben. Immer wieder trafen sich Mitarbeiter der Arnsberger Behörde und des Ministeriums mit Abgesandten der Wasserversorger. Ziel der Verhandlungen: Die Wasserwerksbetreiber sollten sich auch schriftlich erklären, auf eine Klage gegen die Ertüchtigungsanordnung zu verzichten. Remmel wollte Rechtssicherheit.
Tatsächlich leisteten zwei Versorger noch Widerstand. Die Stadtwerke Hamm zweifelten an der Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der für das Wasserwerk Fröndenberg-Warmen geforderten Maßnahmen. Das ließen sie sich auch in einem Rechtsgutachten attestieren. Trotzdem erklärte sich das Unternehmen Mitte Juli 2011 bereit, die Anordnung und den Rechtsmittelverzicht zu akzeptieren.
Witten gab nach – will aber nicht unterzeichnen
Auch das Verbundwasserwerk Witten wollte die Investitionen zunächst nicht hinnehmen, gab dann aber nach. Den Klageverzicht wollte das Unternehmen dennoch nicht unterzeichnen, „aus rein formalen Gründen“, wie Geschäftsführer Hansjörg Sander der WAZ-Mediengruppe bestätigte. „Wir werden nicht klagen“, sagte er.
Die Millionen-Investitionen in der Ruhr liegen immer noch auf Eis, die Anordnungen in der Schublade. „Wir brauchen die Ertüchtigung schriftlich, als rechtliche Absicherung“, sagt Helmut Sommer, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Ruhr-Wasserwerke. Würden die Investitionen auf den Wasserpreis umgelegt, müssten sich Versorger möglicherweise vor dem Kartellamt für den Aufschlag rechtfertigen.
Sorge um die Wasserpreise
Der Umweltminister aber bleibt hart, hält den Verweis auf kartellrechtliche Probleme für vorgeschoben. Remmel kritisierte im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe, dass ihm die Fristen für die Umsetzung der Nachrüstung zu weit gingen, zum Teil erst 2017 griffen. Auch sorgt sich Remmel um einen Anstieg des Wasserpreises, wenn die Unternehmen ihre Investitionskosten umlegen. „Das muss offen und transparent dargestellt werden.“
Ob wirklich alle Versorger an der Ruhr den Wasserpreis erhöhen würden, ist unklar. Die Preise in NRW liegen im Ländervergleich an der Spitze, viel Spielraum zu Erhöhung gebe es da nicht, heißt es in der Branche. Klar aber ist: Seit Freitag ist der politische Streit um sauberes Trinkwasser neu entbrannt.