Stuttgart. . In Stuttgart beim Dreikönigstreffen der FPD sucht die Partei den Weg aus dem Stimmentief. Der Parteivorsitzende wählt markige Worte und schimpft auf alle, die nicht seiner Meinung sind. Doch die Nachricht vom Platzen der Jamaica-Koalition im Saarland macht ihm alles kaputt.

Kein Lächeln mehr. Die Miene mimt Entschlossenheit. Gegen „Fortschrittsverweigerer, Pessimisten und Gutmenschen“ poltert Philipp Rösler. Hin und wieder schaut er dabei fast grimmig drein.

Es scheint so, als hätte er sich vorgenommen, mit aller Kraft an diesem Mittag gegen das Bild anzureden, das sein neuer Generalsekretär jüngst von ihm gezeichnet hat. Die Behauptung, er sei „kein Kämpfer, sondern ein Wegmoderierer“, und als Parteichef womöglich nicht die beste Besetzung.

Rösler will für die FDP kämpfen

Er, kein Kämpfer? „Nur wir stellen uns dem gängigen Linkstrend entgegen“, ruft Rösler in den Saal und erinnert an den Wahlabend 2009: „Ja, wir waren in der Mehrheit“, schmettert er. „Und das wird auch 2013 so sein, dafür werden wir kämpfen.“ Ein kühner Satz, das Publikum quittiert ihn mit dankbarem Beifall.

Es sieht ja derzeit nicht danach aus. Die FDP hat ein Katastrophenjahr hinter sich und auch den Jahreswechsel mit Umfragewerten zwischen zwei und drei Prozent feiern müssen. Als Rösler seine Rede beginnt, entrollen auf dem obersten Rang im Stuttgarter Staatstheater ein paar Jung-Grüne ein Transparent: „Willkommen bei den Sonstigen. Auf Nimmerwiedersehen!“

Hinter der FDP liegt eine Chaoswoche

Vor Weihnachten haben die Liberalen eine Chaoswoche erlebt, in der es eine Weile so aussah, als habe das politisch letzte Stündlein des Vorsitzenden Rösler schon geschlagen. An seiner Stelle nahm Generalsekretär Christian Lindner den Hut. Der Nachfolger machte zunächst mit einem Verfahren wegen Fahrerflucht von sich reden und sorgte dann für Erstaunen ringsum, als er die Führungstalente des Parteichefs öffentlich in Zweifel zog. Hier in Stuttgart gibt Patrick Döring dafür nochmals seine Zerknirschung zu Protokoll: „Wir müssen zeigen, und da schließe ich nach den Erfahrungen dieser Woche mich ausdrücklich ein, dass wir aus den letzten zwei Jahren gelernt haben.“

Andererseits gehören innerparteiliche Wirren in den Tagen vor dem Dreikönigstreffen zur liberalen Folklore wie die Veranstaltung selbst. Sie ist der älteste feste Termin im FDP-Kalender, älter sogar als die Partei. Mindestens so ehrwürdig wie der mit klassischer Ornamentik und Stuck überladene, von Kristalllüstern beschienene Theatersaal. Hier soll heute, so hat man Liberale seit Wochen versprechen hören, der Beginn des „Wiederaufstiegs“ der FDP zu erleben sein. Man erlebt immerhin einen Versuch Röslers, seine Partei und sich als deren starken Chef neu zu erfinden.

Dass er in seiner Rede mit keinem Wort das Thema Steuersenkungen erwähnen werde, auf diese Ankündigung hat Rösler schon am Vorabend großen Wert gelegt. Statt dessen gebärdet er sich als prinzipienstrenger Prediger des Wirtschaftswachstums gegen „Pessimisten und Miesmacher“, zu denen er sogar den Finanzminister rechnet. Kürzlich habe Wolfgang Schäuble einer Mäßigung des Wachstums in den westlichen Industrieländern das Wort geredet: „Bei allem Respekt vor dem Kabinettskollgen“, wettert Rösler, „das ist unverantwortlich.“ Allein Wachstum bürge für Arbeitsplätze und soziale Sicherheit. Allein die Liberalen seien noch da, um diese Einsicht zu verteidigen, „wenn alle anderen Parteien sich vom Wachstum distanzieren“.

Röslers Rundumschlag gegen Sozialisten, Grüne und den Koalitionspartner

Ist die FDP noch zu retten und wenn ja, wie, ist im neuen Jahr die alte Frage. Die Antwort der Liberalen in Stuttgart lautet: Rettung durch Rundumschlag. Nicht allein gegen „Sozialisten“ und Grüne, die politischen Erbgegner. Nein, neuerdings auch gegen den Koalitionspartner.

„Die Union verabschiedet sich schleichend von der Sozialen Marktwirtschaft“, klagt die baden-württembergische Landeschefin Birgit Homburger. „Manche in der Union fühlen sich als die besseren Sozialdemokraten“, schimpft Generalsekretär Döring, dessen Ansprache Parteifreunde anerkennend als „Metzgerrede“ würdigen. „Es reicht nicht, zu entscheiden, ob Deutschland von Rot oder Schwarz regiert wird. Es kommt darauf an, dass die FDP mitregiert“, sagt Rösler. Wahrlich wuchtige Worte. Aber dafür werden Dreikönigstreffen veranstaltet.

Wird die FDP noch gebraucht?

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